Himbeersommer (German Edition)
fragend an. Der zuckt die Schultern, weiß offenbar von nichts.
Der Alte winkt die Kollegen her, um seine Neuigkeit gleich vor allen zu verkünden. „Ich habe gerade einen Anruf von ‚Architektur Online’ bekommen. Sie wissen ja, dass die gerade Marktführer am Fachzeitschriften-Himmel sind.“ Er macht eine bedeutungsschwangere Pause. Mir wird etwas flau im Magen, wie immer, wenn ich denke, irgendwas falsch gemacht zu haben.
„Unsere großartige Frau Blume hier hat als Architektin und Projektleiterin für die Himbeersiedlung einen Preis gewonnen!“
Allgemeines Geraune der Kollegen, neidische, aber auch erfreute Blicke treffen mich. Ich sehe Gräbner fassungslos an. Ich, Nora Blume, eingebildete talentfreie Zone seit ihrer Geburt, soll einen Preis gewonnen haben? Für die vielen Fehler, die mein Kollege gerade so noch ausmerzen konnte?
„Das Kunstobjekt Kind und Familie wurde besonders hervorgehoben. Die Himbeersiedlung wird in ‚Architektur Online’ als die Vorzeigeanlage für junge Familien gehandelt.“
„Wow, cool, Nora“, freut sich Benni, „herzlichen Glückwunsch!“
Und auch die anderen Kollegen beeilen sich, mir zu gratulieren, auch wenn ich in ihren Mienen eher Unverständnis ablesen kann.
„Frau Blume“, wendet sich Gräbner an mich. „Ich habe ja gleich gesagt, dass Sie Talent haben.“
„Talent, Kaffee zu kochen, hatten Sie gesagt“, entfährt es mir. Allgemeines Gelächter der Kollegen.
„Und Humor haben Sie auch“, lächelt Gräbner nachsichtig. „Sobald ein neues Projekt ansteht, können wir darüber reden.“
„Ach, jetzt doch“, erwidere ich, taktisch nicht besonders klug. Er sieht mich nun leicht verschnupft an, besinnt sich aber und scheint angesichts des Preises für sein Büro besänftigt. „Die Preisverleihung findet übermorgen statt. Ich werde natürlich dabei sein. Es wird viel Fachpresse kommen. Unser Büro wird in aller Munde sein.“
Alle klatschen. Ich verbeuge mich aus Reflex (so wie ich es als Biene Maja auf der Bühne als Kind damals getan habe) und freue mich riesig. Ich habe einen Preis gewonnen, und das ich, die ich noch nie in meinem Leben eine Auszeichnung oder Belobigung irgendeiner Art bekommen habe. Es muss an dem Kunstobjekt liegen, denke ich, und das war Daniels glorreiche Idee. Ich schicke ihm sofort eine freudige SMS, dass ich dank ihm gewonnen habe, aber er scheint die SMS nicht zu sehen, er antwortet nicht.
Und dann frage ich mich das, was sich Benni auch fragt. „Wie sind die eigentlich auf die Himbeersiedlung gekommen?“, will er wissen, und ich zucke die Schultern.
„Keine Ahnung. Also ich habe die Fotos nirgends herumgeschickt.“
„Das sieht dir auch nicht ähnlich, Nora. Du bist immer viel zu bescheiden.“ Er geht wieder an seinen Schreibtisch, der meinem gegenüber steht, zurück.
„Findest du?“
„Ja. Typisch Frau wahrscheinlich. Zumindest ist meine Petra genauso. Deshalb gibt’s ja auch nicht so viele von euch in den oberen Etagen.“ Er sieht mich forschend an. „Du gehst aber schon hin zu dieser Preisverleihung, oder?“
„Ähm, wieso nicht?“
„Na weil der Alte so was meinte, wie, reicht ja, wenn er hingeht. Die Blume ist eh nicht so fotogen.“
„Was?! Das hat er gesagt?“ Ich sehe meinen Kaktus an und beschließe, einen neuen zu kaufen. Einen aufrechten, größeren, stattlichen, mit seehr langen Stacheln.
„Ich gehe da hin, da kannst du Gift drauf nehmen.“
Benni lächelt und nickt zufrieden.
Dann sehe ich mir im Internet den Artikel genauer an. Ein paar hübsche Fotos der Himbeersiedlung zieren den überaus löblichen Bericht. Ich erkenne Magdas Haus, das Piratenschiff, und da ist unser wunderschönes Haus, mit … Moment mal, wessen Bein ist das denn da am Rand? Ich nehme eine Lupe aus meiner Schreibtischschublade, in der ein chaotisches Durcheinander herrscht, und nähere mich damit dem Bildschirm. Ein elegantes, schlankes Bein in beigen Pumps ist am rechten Rand des Bildes zu sehen. Und ich identifiziere es eindeutig als … Patrizias Bein! Ich sehe Benni stinksauer an.
„Die hat sich da wirklich schon eingenistet!“
„Was?“
„Die Von-und-zu-Kuh!“
„Von wem redest du?!“
„Ach egal. Jetzt weiß ich wenigstens, wer die Fotos zu dem Bericht gemacht hat.“
„Und wer?“
„Tobias!“
„Tobias? Wow.“
„Wieso wow?!“
„Na, wenn er die Fotos gemacht hat, dann steckt er dahinter. Dann hat er der Redaktion den Tipp gegeben. Weil er wollte, dass du berühmt wirst.“
„Was?“, reagiere ich lahm, und
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