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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Widerstand gesprochen, waren kaum zu hören gegen das Stimmengewirr und Gelächter des Marktes.
    Die alte Frau rührte sich nicht, als lauschte sie aufmerksam einer Stimme in ihrem Inneren.
    Ruckartig öffnete sie die Lider, faltig wie die einer Kröte, Abwehr und so etwas wie Mitleid in den trüben Augen. Mit dem verhutzelten Daumen ihrer rechten Hand machte sie ein Kreuzzeichen über ihre Lippen, als wollte sie sie versiegeln, zu ihrem eigenen Schutz wie dem Celias, der es war, als griffe eine eisige Hand nach ihrem Herzen.
    Hastig zerrte sie das erschrockene Kind vom Schoß der alten Hexe herunter und hinter sich her, mit dem Saum ihrer Röcke Wolken von Staub hinter sich aufwirbelnd, wie sie in großen Schritten die Stadt hinter sich zu bringen suchte, die ihr mit einem Mal so bedrohlich erschien.
    Die Angst hatte sie nicht mehr losgelassen und an ihrer Liebe zu diesem Land zu nagen begonnen. Griechenland würde ihr fehlen – das greifbare Licht der Sonne, das scharfe Kontraste über die Landschaft zauberte, die Ebenen voll dürrer Disteln, der Duft von Holzkohle in den Pinienwäldern, der Gesang der Zikaden, das Funkeln der Luft, voll des Geruchs nach Laub und Erde und dem Salz des Meeres, doch sicher konnte sie sich hier nicht mehr fühlen.
    Beschützend legte sie die Hand auf ihren noch flachen Bauch unter den leichten Musselinröcken, und stumm betete sie um Schutz für das ungeborene Kind und ihre Familie.

1
    Cornwall, November 1876
      M it einem schleifenden Geräusch glitten ihre Röcke aus dem steifen schwarzen Material über den ausgetretenen Holzfußboden, und das Echo ihrer niedrigen Absätze klang ihr unangenehm laut in den Ohren. Vor der Tür, zu der sie ihre Schritte geführt hatten, hielt sie kurz inne, als müsste sie sich Mut zusprechen, ehe sie tief Atem holte und das fleckige Metall des Türknaufs kalt in ihrer Hand spürte. Unzählige Staubkörner, die der Luftzug der sacht aufgeschobenen Tür aufgewirbelt hatte, tanzten in den fahlen Lichtstrahlen, die durch das enge Fenster in den Raum fielen.
    In der Mitte stand ein altersschwacher Schreibtisch nebst ledergepolstertem Stuhl, dessen Füllung durch Risse im Leder hervorzuquellen begonnen hatte. Hoch aufgetürmte, sich in alle Himmelsrichtungen neigende Papierstöße, abgebrochene und tintenbeschmierte Federhalter zeugten davon, dass hier bis vor nicht allzu langer Zeit noch gearbeitet worden war. Alle Wände waren bis zu den niedrigen, rußgeschwärzten Deckenbalken mit Büchern bedeckt, die einen muffigen Geruch verströmten. Verblichen und vernarbt drängten sich die Lederrücken aneinander – Werke von Platon und Aristoteles, Plutarch und Homer, viele davon gleich in mehreren Ausgaben vorhanden, Schriften aus der Archäologie, Philosophie, Rhetorik und Grammatik. Irgendwann hatte der Platz nicht mehr ausgereicht, den die aus einfachen Brettern gezimmerten Regale boten, und die Bücher wanderten auf dem Boden weiter, drängten sich an die Beine des Schreibtisches heran und wucherten in beängstigend schiefen Türmen in das  Zimmer hinein.
    Das Heiligtum ihres Vaters.
    Sie schlug den Pfad ein, der durch diesen Dschungel der Gelehrsamkeit führte. Ein zerlesener Band lag ganz oben auf dem Papierwald, die Seiten eingerissen und vergilbt, eine Passage der eng gesetzten Typen angestrichen – vielleicht seine letzte Lektüre.
    Lied – An Celia
    Komm, meine Celia, lass uns bekunden,
    Solang wir es vermögen, die Wonnen der Liebe
    Zeit wird nicht unser sein auf ewig.
    ER wird schließlich unser Wohl voneinander trennen.
    Verschwende denn Seine Gaben nicht vergebens.
    Sonnen, die untergeh’n, mögen sich wieder erheben:
    Aber wenn wir einst dies Licht verlieren,
    Wird mit uns ew’ge Nacht sein.
    Ben Jonson
    Durch die bucklige Scheibe sah sie hinunter auf eine kahle, nackt wirkende Küstenlandschaft, deren Strand silbrig schien im trüben Licht des Novembertages und sich unter der Wucht der heranbrandenden Wellen duckte.
    »Mr. Wilson wartet unten.«
    Ebenso wenig, wie sie Margarets Kommen bemerkt hatte, schien Helena auf ihre Worte zu reagieren.
    »Mir ist nie aufgefallen, dass er immer mit dem Rücken zum Meer saß«, flüsterte sie tonlos.
    Abschätzig ließ Edward Wilson, einer der Söhne aus der Kanzlei Wilson & Sons, Chancery Lane, London, seine Blicke durch den Raum wandern, den man einst wohl als Salon bezeichnet hatte. Ähnlich dem übrigen Haus schien auch dieser bessere Tage gesehen zu haben. Das Holz der längst nicht mehr

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