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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Degenhardt.«
    Maria schüttelte nur den Kopf und begann eine Melodie zu summen, während sie mit dem Kind aus der Tür ging.
    Demy eilte die Stufen in den ersten Stock hinauf, machte sich frisch und schlüpfte in ein weiteres ihrer neuen Kleider. Nur wenig später fand sie sich mit klopfendem Herzen vor dem Arbeitszimmer des Rittmeisters ein. Dieser Raum lag direkt unter ihrem eigenen Zimmer neben dem Rauchersalon und war, wie sie nach dem Eintreten bemerkte, durch einen lichtdurchfluteten Glasanbau erweitert worden. Tagsüber bot sich dem Hausherrn hier sicherlich ein herrlicher Ausblick auf den Garten.
    »Setz dich«, befahl Meindorff knapp.
    Das Mädchen nahm auf einem der vier bereitstehenden Eichenholzstühle mit den blauen Samtbezügen Platz. Der gewaltige Schreibtisch, ebenfalls aus Eichenholz gefertigt, stand auf vier kunstvoll gedrechselten Beinen und wies an der ihr zugewandten Seite filigrane Schnitzereien auf. Das Kunstwerk erinnerte sie vage an eine vergangene Geschichtsstunde, in der es um den Achtzigjährigen Krieg gegangen war. Heeresführer in schmucken Uniformen auf muskelbepackten Pferden und Soldaten mit schussbereiten Arkebusen, die sie gegeneinander richteten, wurden von einem selbst auf dem puren Holz düster wirkenden Wald umgeben.
    Demy holte tief Luft, und für einen Moment fühlte sie sich in der Rolle eines dieser Untergebenen. Sie hatte nicht mehr zu tun als zu gehorchen, Meindorff hingegen repräsentierte einen der uniformierten Anführer. Er erteilte Befehle, doch für die einzelnen Soldaten und ihre Nöte empfand er weniger als nichts. Sie hatten sich strikt nach seinen Anweisungen zu richten, ihre eigenen Wünsche und Gedanken waren unbedeutend.
    »Du hast dieses Kind also einfach so in den Arm gedrückt bekommen? Der Chauffeur sagte, er habe dich beim Stadtschloss aufgenommen.«
    Erleichtert über seinen recht nüchternen Tonfall wagte Demy ein zustimmendes Nicken. Sie verspürte Dankbarkeit darüber, dass der Taxifahrer nicht hatte wissen können, wo sie sich zuvor aufgehalten hatte. Die Prachtstraße Unter den Linden und der Platz um das Schloss gingen in den Augen Meindorffs sicher noch als für eine Frau passenden Aufenthaltsort durch.
    »Wir schreiben zwar inzwischen das zwanzigste Jahrhundert, junge Dame, dennoch möchte ich die persönliche Gesellschafterin meiner Schwiegertochter nicht noch einmal ohne Begleitung in den Straßen der Stadt wissen. Haben wir uns verstanden?«
    Demy nickte eifrig, unterdrückte allerdings die Frage, wer ihr denn als Begleitung zur Verfügung stünde. Ob es eine Begleiterin für die Begleiterin gab? Der bei dieser Überlegung in ihr aufkeimende Anflug von Heiterkeit wurde von der strengen, unnachgiebigen Miene des Patriarchen sofort verscheucht.
    »Du wohnst in meinem Hause, arbeitest in meinem Hause, und ich erwarte, dass du dich an die in diesem Hause gültigen Regeln hältst! Eskapaden dieser Art lasse ich nicht ungestraft durchgehen. Nichts, was dem guten Ruf dieses Hauses schadet, wird von mir geduldet. Und an diese Regeln halten sich nicht nur meine Söhne und deren Ehefrauen oder zukünftigen Ehefrauen, sondern im besonderen Maße die Angestellten. Besuche im Scheunenviertel oder anderen heruntergekommenen Gegenden sind tabu, sollten sie noch so sehr dein zweifelhaftes Interesse wecken. Du wirst auf meinen und den Wunsch deiner Schwester hin in der gehobenen Gesellschaft verkehren. Und damit scheiden Vertraulichkeiten mit der Dienerschaft aus, das möchte ich in deinem Falle nochmals ausdrücklich betonen, selbst wenn du streng genommen zu dieser gehörst.«
    Demy versteckte ihre geballten Hände hinter ihrem Rücken, während der Hausherr weitere Regeln und Drohungen auf sie niederprasseln ließ.
    Hatte dieser Mann, im Prinzip ihr Gönner und auch ihr Arbeitgeber, überhaupt das Recht, sich in diesem Maße in ihr Leben einzumischen und es einzuschränken? War ihr mit dem Einzug in dieses Haus und der Unterschrift ihres Vaters unter einen Angestelltenvertrag jegliches Recht auf Selbstbestimmung entzogen worden?
    »… zudem bin ich mir mehr als noch vor ein paar Tagen sicher, dass meine Schwiegertochter uns mit dir ein Kuckucksei ins Nest gesetzt hat. Ich verspüre nicht wenig Lust, dich zurück zu deinem Vater zu schicken.«
    Aufgeregt hielt Demy den Atem an. Durfte sie am Ende nach Hause? Zurück zu ihrer Familie, in ihr kleines Dorf am Meer und zu allem, dem sie unfreiwillig hatte den Rücken kehren müssen? Ein sehnsüchtiger,

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