Himmel ueber fremdem Land
goldgerahmten Gemälde zwischen den hohen Türrahmen. Jagdszenen zu Pferde, ernst dreinschauende Männer und Frauen und dazwischen ein paar in Öl verewigte Hunde wechselten sich miteinander ab.
Demy betrat das separat gebaute Treppenhaus und entschloss sich spontan, die Stufen hinunterzugehen, um sich im Erdgeschoss umzusehen.
Mit schief gelegtem Kopf betrachtete sie den steil abfallenden Handlauf, der förmlich danach schrie, zum Rutschen genutzt zu werden. Flugs schwang sie sich hinauf und glitt in hohem Tempo, nur einmal kurz abgebremst, da das Geländer, wie die Treppe, zweimal abknickte, auf diesem abwärts. Gestoppt wurde sie schließlich von kräftigen Männerhänden. Erschrocken, da sie geglaubt hatte, bei ihrem Tun unentdeckt zu bleiben, starrte sie in das unterdessen gesäuberte Gesicht von Hannes. Sein freches Grinsen erinnerte sie sofort an Feddo.
»Sie müssen etwa zwei Meter nach der letzten Kurve abbremsen, sonst haben Sie unten zu viel Schwung und knallen unsanft gegen die Tür. Das erzeugt ein verräterisches Geräusch im Foyer!«
»Danke«, erwiderte Demy mehr konsterniert als keck und beendete ihre Rutschfahrt, nachdem Hannes sie losgelassen hatte.
Noch immer lachend nahm er bei seinem Weg nach oben zwei Stufen auf einmal, während Demy ihre Kleider ordnete. Als sie nach der Klinke griff, schmunzelte sie belustigt vor sich hin. Hannes hatte bei seinem Hinweis über die richtige Rutschtechnik mit Sicherheit aus Erfahrung gesprochen, und das machte ihn ihr gleich sympathisch. Die Aussicht darauf, mit einem so fröhlichen, unkomplizierten Mann in einem Haus zu wohnen, erleichterte ihr die Vorstellung, hier die nächsten Jahre verbringen zu müssen.
Das Foyer mit den tiefen Sesseln um einen dunklen Couchtisch, mit den gewaltigen Pflanzenkübeln und riesigen Kronleuchtern kannte sie ja bereits. Von diesem erhabenen und prunkvoll ausgestalteten Raum gingen mehrere Türen ab, und das Mädchen öffnete neugierig eine nach der anderen.
Der Bibliothek, deren bedrückend wuchtige Regale bis unter die hohe Decke reichten, schloss sich ein bescheidenerer, vermutlich als Handarbeitszimmer genutzter Raum an. Es folgten ein in Blau gehaltener Salon und ein Speisezimmer mit gepolsterten Stühlen und vornehmen Glasvitrinen. Dahinter kamen ein Musikzimmer, in dem ein gewaltiger Flügel stand, und ein paar Räume, deren Nutzen sich ihr nicht auf Anhieb erschloss.
Durch die Verandatür eines dieser Räume konnte Demy in den Park sehen. Sie trat ein, zog die Tür hinter sich zu und eilte zur Fensterfront.
Ein um Aufmerksamkeit heischendes Räuspern ließ sie erschrocken herumwirbeln. In einem Polstersessel, die Füße mitsamt den Schuhen auf der Sitzfläche des gegenüberstehenden Sessels aufgestützt, saß dort ein junger Mann in einer ungewöhnlich geschneiderten hellbraunen Uniform. Der Soldat nahm weder die Füße herunter, noch setzte er sich aufrecht hin, als er mit tiefer Stimme fragte: »Wer bist du denn? Was suchst du hier?«
Demy rümpfte die Nase und versuchte, ihr heftig klopfendes Herz zu beruhigen.
»Da du mir auf meine Fragen nicht antwortest, muss ich wohl davon ausgehen, dass du unerlaubt hier eingedrungen bist?«
»Nein!«, widersprach Demy heftig, obwohl sie sich da gar nicht so sicher war. Immerhin hatte sie sich bei niemandem die Erlaubnis eingeholt, sich im Haus umsehen zu dürfen.
Der junge Soldat verschränkte die Hände hinter seinem Nacken und musterte sie grinsend. Er schien Gefallen an ihrer misslichen Situation zu finden, und das brachte Demy gegen ihn auf.
Mit in die Seiten gestemmten Fäusten erklärte sie: »Mein Name ist Demy van Campen und ich bin keinesfalls ein Eindringling. Meine Schwester wird in den nächsten Tagen Joseph Meindorff heiraten und ich bin ihre …« Sie zögerte, wusste sie doch noch immer nicht recht, warum genau Tilla sie mit in dieses fremde Haus geschleppt hatte.
»Demy?« Der Uniformierte zog die dichten schwarzen Augenbrauen in die Höhe, sodass sie beinahe unter seinem Haar verschwanden. »Anscheinend ein holländischer Name, was allein schon dein drolliger Akzent verrät.«
»Drollig?« Das aufgebrachte Mädchen verschluckte die Bemerkung, die ihr zu diesem Begriff auf der Zunge lag.
»Der Namen passt zu dir – demi heißt auf Französisch halb. Viel mehr als eine halbe Portion bist du ja wirklich nicht.«
»Halbe Portion?« Demy reckte sich und hob das Kinn, wie sie es bei Tilla oft gesehen hatte, wenn diese jemanden in seine Schranken
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