Himmelsbett - Neue schwedische Liebesgeschichten
Aurora. Kalle existierte nicht länger in ihrem Bewußtsein. Sie
warf einen schnellen Blick auf Katarina und Ullabritt. Sie lagen
mit geschlossenen Augen, als wären sie endlich eingeschlafen.
Barbro hatte den Kopf unterm Kissen.
Lenas Geschrei steigerte sich zu einem Heulen, an Intensität
nur mit einer Dampfpfeife vergleichbar. Gudrun stapfte auf dem
Kajütenfußboden hin und her. Wieder schielte sie nach den
anderen und schlich sich dann in Richtung der Treppe.
Vorsichtig machte sie die Kajütentür hinter sich zu. Das Deck
war naß vom Tau. Sie kletterte durch die Vorderluke hinunter.
»Jesses«, begrüßte sie Margareta, »kommen Fremde?«
Sie trat Gunilla in den Bauch und Lena auf den Schenkel. Bei
de protestierten laut über ihre taunassen Füße, aber sie achtete
nicht darauf. Da war er endlich, der Einzige!
Ihr schien, als fiele sie auf seinen Körper, fiel und fiel durch
Ewigkeiten von Zeit, sie sank mit dem Gesicht an seine haarige
Brust. Er war schweißnaß. Der Geruch umgab ihre Nasenlöcher,
ließ sie schwindeln.
»Nimm mich auch«, schluchzte sie. »Lieber du, nimm mich
auch.«
Stufenweise kehrte er ins Bewußtsein zurück. Er schlug die
Augen auf.
»Hej«, sagte er matt. »Woher kommst du?«
Niemals war ihr eine Stimme lieblicher erschienen. Das Wei
nen überkam sie von neuem.
»Ich konnte es nicht aushalten, nur zuzuhören«, weinte sie.
»Ich konnte nicht.«
Er hob die Hände und berührte ihre tränenüberströmten
Wangen mit den Fingerspitzen. Die Lippen murmelten Worte
des Trostes. Diese Zärtlichkeit umgab sie wie ein Fluidum.
»Schläfst du nachher mit mir?« fragte sie und machte einen
bebenden Atemzug.
Er schmunzelte.
»Erst solltest du mich ein bißchen Atem schöpfen lassen«,
sagte er und streichelte ihre Schultern.
In der Kajüte fuhr Ullabritt plötzlich hoch.
»Wer schreit da?« fragte sie schlaftrunken.
Die Sonne schien schräg durch die Ventile und beleuchtete
Gudruns leere Koje. Ullabritt schüttelte den Kopf.
»Und wir haben den Daumen draufgehalten«, sagte sie traurig.
Barbro gähnte.
»Das scheint hier wie mit den ›Zehn kleinen Negerlein‹ zu en
den«, meinte sie.
»Ich frage mich nur, wen es das nächste Mal erwischt.«
Als Katarina am nächsten Morgen aufstand, hatte sie ihren Ent
schluß gefaßt. Sie kochte Kaffee und machte belegte Brote zu
recht, während Barbro und Ullabritt den Tisch deckten. Eins
nach dem anderen tauchten die restlichen Mädchen auf, zerzaust,
verschlafen, verlegene Blicke auf Katarina werfend.
Zuletzt kam Rolf. Mit gutem Appetit machte er sich über die
Brote und den Kaffee her und wirkte mit sich und der Welt
zufrieden. Katarina beobachtete ihn heimlich.
»Ich habe einen Vorschlag«, verkündete sie. »Eigentlich zwei.«
Sie vermied es, ihn anzusehen. »Der eine ist, daß du deinen
Urlaub mit uns auf dem Segelboot verlebst« – sie machte eine
kurze Pause – »der andere, daß du Papa ein neues Boot für dich
kaufen läßt… ohne die Polizei hineinzuziehen.«
Sie verstummte jäh. Hatte sie ihn jetzt auf den Baum ge
bracht? Unruhig starrte sie auf die halbgegessenen Brote.
»Na, ja«, hörte sie ihn schließlich antworten. »Das ist ja ein
ganz annehmbarer Haufen hier, und wenn dein Papa mein zer
störtes Boot bezahlt, pfeif ich auf die Polizei.«
Margareta und Gunilla brachen in laute Jubelrufe aus. Gudrun
klatschte in die Hände, und Lena warf sich an seinen Hals. Er
hob die Hand, um sie zu dämpfen.
»Eine Bedingung«, sagte er. »Ich übernehme die Navigation.
Es sollen nicht noch mehr Unglücke passieren.«
Katarina wollte protestieren, fand aber plötzlich keine Worte.
Und im übrigen hätte sie in diesem Jubel keiner gehört. Einen
Augenblick wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Man ließ
sie im Segeln durchfallen – sie, die ihr ganzes Leben lang gesegelt
hatte. Von allen dummen, eingebildeten und selbstsüchtigen
Menschen war er die Krönung – eine absolute, vollkommene
Krönung.
Eine halbe Stunde später kreuzten sie durch Trängskärsviken
mit Rolf am Ruder. Barbro mit Segelpullover und weißen Shorts
war aufs Vorschiff kommandiert worden, um Ausschau zu hal
ten. Dort saß sie mit angezogenen Knien, und der Widerwille,
mit ihm zusammenarbeiten zu müssen, kroch über ihren ganzen
Rücken. Katarina spürte einen gewissen Trost. Rolf würde es
nicht leicht mit Barbro haben. Auch nicht mit Ullabritt, die
neben Katarina auf der Ruderbank saß, erfüllt von Freundschaft
und
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