Himmelsfelsen
gerufen
worden. Ungeachtet des Unwetters, drängten sich in der Langen Gasse vor den polizeilichen
Absperrungen die Schaulustigen. Für die Jahreszeit war’s bereits ungewöhnlich dunkel.
Der PD-Leiter und Kripo-Chef Bruhn schauten
sich zusammen mit dem Staatsanwalt den Tatort an. Bruhn hatte durchgesetzt, dass
Georg Sander das Obergeschoss des Gebäudes nicht betreten durfte. Dort, im Wohnzimmer,
lag Ferdl zwischen einem alten Sofa und einem ebenso alten Sessel auf dem Holzboden.
Der Schenkenwirt, dessen Haare blutverschmiert waren, hatte offenbar noch gestöhnt,
ehe er bewusstlos geworden war. Der Notarzt beugte sich über ihn und versuchte,
die stark blutende Wunde zu stillen. Sanitäter standen mit einer Trage bereit.
Bruhn deutete auf einen hölzernen Hocker, der
umgestürzt neben Ferdl lag.
Häberle bat den Staatsanwalt, den PD-Leiter
und den Kripo-Chef ins Treppenhaus, wo mehrere uniformierte Beamte standen und die
ins zweite Obergeschoss hinaufführende Holztreppe im Auge behielten.
»Der Täter hat das Haus nicht verlassen«, stellte
Häberle fest, »kein Fenster offen und unten hätte er an Ferdls Frau vorbei müssen.«
Bruhn schaute entschlossen nach oben. »Dann
durchsuchen wir die Bude«, entschied er.
»Das dürfte nicht einfach sein«, meinte Häberle,
»ein alter Schuppen. Wir müssen sogar davon ausgehen, dass es zwischen den aneinander
gebauten Altstadthäusern Durchgänge gibt.«
»Das ganze Karree umstellen«, befahl Bruhn
und wandte sich an einen höherrangigen Uniformierten. Der bestätigte, was zu tun
war und griff nach seinem Handfunkgerät.
»Ich schlag vor, wir holen das SEK«, sagte
Häberle, während der Staatsanwalt und der PD-Leiter den Gesprächen lauschten und
sich an die Wand lehnten, um die Einsatzkräfte nicht zu behindern.
Bruhn überlegte einen Augenblick und schaute
in die Runde. »Wahrscheinlich haben Sie Recht«, er wandte sich wieder an den Uniformierten,
der über sein Funkgerät die Umstellung des Gebäudekomplexes angeordnet hatte. »Rufen
Sie den PvD, er soll das SEK anfordern, so schnell wie möglich.« Der PvD war der
Polizeiführer vom Dienst, bei dem in solchen Fällen die Fäden zusammenliefen.
»In einer halben Stunde sind die da«, stellte
Häberle fest. Das baden-württembergische SEK war in der Kreisstadt Göppingen stationiert.
Lokaljournalist Georg Sander war unterdessen mit Helga ins Wohnzimmer
im Erdgeschoss gegangen, wo Ferdls Zeitung aufgeschlagen auf dem Couchtisch zurückgeblieben
war. Helga zitterte und weinte noch immer. Sander versuchte, sie zu beruhigen. Er
hätte gerne gewusst, was im Hause geschehen war. Die Zeit drängte.
»Da waren Schritte …«, sagte Helga und schluchzte
in ihr Papiertaschentuch hinein, »jemand ist gekommen und hochgegangen.« Sie bekam
wieder einen Weinkrampf.
»Und dann?«, fragte Sander behutsam nach.
»Dann ist Ferdl hochgegangen, und dann hat
er jämmerlich geschrieen. Und dann war es plötzlich still, totenstill.«
Ohne ein Wort zu sagen, trat Häberle an die
beiden heran. »Sie sollten die Frau jetzt in Ruhe lassen.«
»Und wie machen wir’s?«, fragte Sander, »wann
werden Sie etwas über die Hintergründe sagen können?« Der Journalist blickte auf
seine Armbanduhr und sah, dass es schon kurz nach 20 Uhr war.
»Das ist jetzt Sache des Staatsanwalts. Aber
momentan ist die Lage absolut unklar. Wir haben das SEK angefordert«, erwiderte
Häberle amtlich, »deshalb solltet ihr das Haus verlassen.« Er machte eine Armbewegung
in Richtung Tür und wandte sich an Helga: »Sie können in einen Kleinbus sitzen.
Meine Beamten kümmern sich um Sie.«
Sander wünschte Helga alles Gute und ging zum
Staatsanwalt, der sich ebenfalls im Erdgeschoss-Flur aufhielt. Der Jurist winkte
ab: »Heute nicht mehr.« Jetzt müssten erst die näheren Umstände geklärt werden,
meinte er und bestätigte, dass sich der Unbekannte vermutlich noch immer im Haus
aufhalte. Man warte auf das SEK, das den gesamten Komplex durchsuchen werde.
Kripo-Chef Bruhn hatte jetzt das Kommando übernommen.
Er ordnete eine weiträumige Absperrung an. Alle vier Straßen, die das Karree umgaben,
sollten abgeriegelt werden. Der PD-Leiter forderte weiteres Personal von den Revieren
Eislingen, Göppingen und Uhingen an.
Sander erkannte, dass es für ihn zeitlich eng
werden würde. Niemand würde vor Redaktionsschluss sagen können, wer in Ferdls Haus
eingedrungen und ihn niedergeschlagen hatte. Und schon gar nicht, ob diese Tat etwas
mit dem Mord
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