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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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fragte mich, ob dieses tiefgrüne Gewächs mit den hellblauen Blüten das Geisterkraut war? Ich pflückte davon einen kleinen Strauß, der verführerisch süß duftete. Dann tauchte er vor mir auf. In der Abendsonne. Mein kleiner, bunter, verspielter Dom. Still und treu und immer vorhanden. Einzig und allein für mich. Ich ließ mich auf der steinernen Bank davor nieder, die noch vom Tag gewärmt war. Als es dunkler wurde, ging ich hinein. Ich besaß noch kein Tagebuch, aber auf der ersten Kirchenbank ganz vorne hatte ich bereits ein paar Bögen Papier und einen Stift deponiert. Ich nahm mir einige der schlichten flachen Schaumstoffkissen und breitete sie auf der Bank aus. Dann legte ich mich darauf und begann zu schreiben:
     
Ich bin Kira. Und das ist meine Geschichte. Es ist nicht die, die Pio aufschreiben wird. Es ist meine eigene …
     
    Ich ließ die Gedanken schweifen. An welcher Stelle meines Lebens sollte ich beginnen? An diesem Abend kam ich noch nicht weit und schlief nach den ersten zwei Zeilen müde und erschöpft ein.
     
    Ich sah orangefarbenes Licht durch meine geschlossenen Lider und spürte Wärme in meinem Gesicht. War das etwa die Sonne? War es schon wieder Morgen? Ich versuchte, mich zu rühren, aber meine Knochen taten mir alle weh. Augenscheinlich hatte ich die ganze Nacht auf der Kirchenbank verbracht. Ich blieb noch eine Weile so liegen. Bis mich ein Schreck auffahren ließ. Etwas Dunkles hatte sich vor die Sonne geschoben. Ich blinzelte und versuchte die Schattengestalt im Gegenlicht zu erkennen. Die Sonnenstrahlen, die von hinten durch die Fenster schienen, ließen ihre Haare golden schimmern. Vor mir stand Neve und sah mal wieder aus wie ein echter Engel. Ihr langes, dünnes, weißes Kleid und die sakrale Umgebung verstärkten den Eindruck noch. Im ersten Moment war ich erleichtert. Natürlich, sie hatte mich gesucht, weil ich die Nacht nicht nach Hause gekommen war. Aber dann trat ein zweiter Schatten neben sie. Wie konnte Neve jemanden hierher mitbringen? Es war mein ganz persönlicher Ort. Niemand sonst hatte Zutritt dazu! Und dann erkannte ich ihn. Es war kein geringerer als Tim.
    Mir fiel ein, dass ich die ganze Nacht von ihm geträumt hatte. Irgendwas Schönes. Mein erster Impuls war, ihm um den Hals zu fallen. Aber ich besann mich, dass der Traum ausgeträumt war und die Realität anders aussah. Ich hätte mir denken können, dass er mich nach dem gestrigen Erlebnis aufsuchen würde, um alles zu erklären. Augenscheinlich konnte er sich in der magischen Welt jetzt alles erlauben.
    „Siehst du, ich dachte mir, dass sie hier ist“, sagte Neve zu Tim.
    „Warum hast du ihn hergebracht?“, fuhr ich sie an und Neve schrak zusammen, als hätte sie überhaupt nicht damit gerechnet. Sie verstand wirklich nichts von Liebesdingen. Das da mit ihrer seltsamen Menschenliebe würde wohl ein langer Weg werden.
    „Das ist MEIN persönlicher Ort. Die Regel sagt, dass ICH bestimme, wer ihn aufsuchen darf!“ Ich sprang auf und kam dicht vor Neve zum Stehen. Ich war ein Stück größer als sie, während sie jetzt noch ein wenig mehr zusammenschrumpfte. Tim, der neben uns stand, beachtete ich überhaupt nicht.
    „Ich will keine blöden Entschuldigungen. Ich will, dass ihr verschwindet. SOFORT!“
    Der ganze kleine Dom hallte von meinen Worten wieder. Wie sollte ich je meinen inneren Frieden finden, wenn nicht mal hier Ruhe war?!
    „Aber …“, begann Neve. Doch Tim schob sich zwischen uns. Er trug eine Shorts aus Jeans und ein eng anliegendes, weißes T-Shirt. Neve hatte ihn wohl eingekleidet. Das machte sie ja am liebsten.
    Tim umschloss mich mit seinen Armen, so dass ich mich kein bisschen rühren konnte. Ich staunte, dass es diese Momente gab, in denen all meine Superkräfte völlig machtlos schienen. In denen Tim als normaler Mensch trotzdem mächtiger war. Meine Fäuste stemmten sich gegen seine Brust. Mit jedem Atemzug, der den Duft von Tim einsog, wurden sie allerdings unentschlossener. Tim duftete nach Wärme, Sonne, Meer und Sommer. Das war ein kitschiges Bild. Aber das symbolisierte er für mich: Frieden und das Glück, nach dem ich mich sehnte.
    „Alles ist gut. Ich bin frei. Wir können zusammen sein. Endlich!“
    Ich hörte seine Worte, die er mir in meine Haare flüsterte und wollte sie unbedingt glauben.
    „Ist das wahr?“ Ich wagte es nicht, ihn anzusehen.
    „Ja, das ist es.“
    Ich verstand zwar überhaupt nichts, aber ich spürte, dass er die Wahrheit sagte. Es war einfach

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