Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
Vom Netzwerk:
Ich habe nichts gegen die Eulen, ich verfolge sie nicht, aber sie sind mir unheimlich.«
    Und sie flogen mit lautem Flügelschlagen, das man noch lange in der Waldstille hörte, über die Bäume hin, davon.
    In der Frühe sah man bisweilen den Bussard zwischen den Stämmen jagen. Er flog lautlos und geheimnisvoll, seine scharfen, farbigen Augen suchten am Boden, und seine graubraunen Schwingen bewegten sich groß, feierlich und kraftvoll. Es war ein herrlicher Anblick, den mächtigen Vogel zu beobachten, der allein lebte, vom Raub, in seiner Waldfreiheit.
    Eines Tages kam eine Katze, o Gott! Sie setzte sich mitten auf die Wiese in die Blumen, blinzelte und putzte sich sorgfältig und so arglos, als gäbe es in der Welt für sie keine Gefahr, und als habe sie niemals einen bösen Gedanken gehabt. Es wurde eine Weile auffallend still auf der Waldwiese, nur der Bach kümmerte sich nicht um das Tier, er rauschte fort, die kleineren Geschöpfe aber bekamen zum größten Teil Herzklopfen. Wer ein sicheres Versteck hatte, beobachtete die Katze mit Spannung. Es läßt sich auch in der Tat kaum etwas Schöneres denken, das zugleich mit so viel Schrecknis verbunden ist, als eine Katze. Natürlich, wer sich gegen sie wehren kann, wer stärker oder geschwinder als sie ist, der sieht und nimmt nur ihre anmutigen Seiten, deren sie viele hat, und begreift nicht so rasch das Entsetzen, das sie kleineren Geschöpfen einflößt. Aber wenn man in Betracht zieht, daß manche Tiere, denen sie nachstellt, kaum größer sind als eine ihrer Pfoten, so begreift man eher, welchen Schrecken die Katze verbreiten kann.
    Ganz besonders über diese Katze wäre vieles zu erzählen; es ist schade, daß es hier nicht angeht. Sie war ursprünglich unter Menschen gewesen und ist auch in ihrer Gemeinschaft geboren und aufgezogen worden. Aber dann wechselte der Besitzer des Hofes, auf dem sie lebte, und da Katzen meistens eher an dem Ort hängen, an welchen sie gewöhnt sind, als an Menschen, so war auch diese Katze geblieben; aber sie traf es schlecht mit den Nachfolgern der ausgewanderten Bauersleute und entschloß sich deshalb eines Tages kurzerhand, ihr Heil in der Freiheit zu suchen. Sie hatte einen sehr schweren Winter hinter sich und war oft drauf und dran gewesen, zurückzukehren, aber nun, mit dem eingekehrten Frühling, schien ihr Los ihr beneidenswert.
    Uku, die alte Eule, sah von ihrer sicheren Baumhöhle aus auf die Katze nieder. Die grünlichen Augen waren wie zwei harte, glänzende Metallplättchen, alles an der Katze, auch das prächtig gestreifte Fell, war auf das sauberste gehalten und so wohlbestellt, gesund und anmutig, daß es ein Entzücken war. Uku sah, wie die Pfote am Gesicht entlang glitt und wie die kleine rosa Zunge die weichen Härchen des Fells glättete. Nachdenklich sah der weise Vogel auf die Katze nieder. Wer würde vermuten, dachte er, daß dies zärtliche Tier vom Wipfel eines Baumes oder vom Giebel eines Daches niederspringen kann, ohne Schaden zu nehmen, wer ahnt hinter dieser kindlichen Gebärde die Wildheit, die sie verbirgt, die geschmeidige Kraft und die unbeugsame zähe Eigenart der Katze? Ist es so bestellt, daß sich mit der größten Kraft und Wildheit solch arglose Gebärde des Spiels und der Harmlosigkeit vereinen kann, mit diesem Lächeln die furchtbarste Blutgier und mit soviel Anmut die Falschheit?
    Uku konnte nicht aufhören, die Katze zu betrachten, und sie dachte lange und sehr scharf über sie nach, wie es so Art der Eulen ist. Sie weiß die größten und bissigsten Hunde in Respekt zu halten, dachte sie, ja in manchen Fällen selbst den Menschen, und sieht doch aus wie ein schüchternes Kind. Wie sie den Schein der Sonne genießt! Es ist wirklich sehr schwer zu sagen, was gut oder was böse ist in der Natur, ich glaube, man kann es nur für sich selbst und sein eigenes Handeln wissen.
    Wie ungebrochen sind diese harten Augen, wild und rein, fuhr sie fort zu sinnen, sie werden eines Tages brechen, wie ein edler Stein unter einem Hammer, aber sie werden sich nicht trüben. Man muß sagen, Uku kam geradezu in Begeisterung, und da eine Katze alles andere eher ist als die Freundin der Eulen, so war diese Anerkennung des Vogels um so erstaunlicher. Aber Uku hatte Grund, über die Katzen nachzudenken, sie hatte vor Jahren einmal zur Nachtzeit eine Katze sterben sehen, die, von der Kugel eines Bauernsohns getroffen, auf dem Hof ihr Leben lassen mußte, auf dem damals auch Uku viel verkehrte. Es war

Weitere Kostenlose Bücher