HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
hatte. Es gab noch drei freie Zimmer, die Wolfs Männer belegten. Außerdem gab es auch ein warmes Mahl in der Wirtsstube, für das Kathryn sehr dankbar war, da das Trockenfleisch, das sie sonst hatten essen müssen, ihren quälenden Hunger nicht zu stillen vermochte. Sie hoffte auch, dass das gebratene Hühnerfleisch, das Brot und der Käse die arme Bridget, die von dem langen Ritt sehr mitgenommen war, etwas aufmuntern würden.
Das Fußgelenk verursachte Kathryn nur noch geringfügige Schmerzen beim Laufen, was sie davon überzeugte, dass es bloß gequetscht und nicht etwa verstaucht war, wie Wolf gesagt hatte. Der lange Tag im Sattel, an dem sie ihren Knöchel nicht hatte belasten müssen, hatte den Heilungsprozess erheblich vorangetrieben. So war es ihr möglich, nach dem Abendessen die Treppenstufen hinaufzusteigen und Bridget sicher zu Bett zu bringen. Die Stimme der alten Frau klang rau, und das Atemholen fiel ihr schwer, weil sie so lange Zeit der kaltfeuchten Luft ausgesetzt gewesen war.
„Wasch dir den Schmutz aus dem Gesicht“, sagte Bridget, als sie das Zimmer erreichten. „Wenn du dich nur selbst sehen könntest, Mädchen. Ziemt sich gar nicht für eine Dame von Stand, so verdreckt herumzulaufen.“
„Ich will gar nicht wie eine Dame aussehen, Bridget.“
„Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“
„Je weniger alle über mich wissen, desto besser.“
„Ich nehme an, dass du damit vor allem den Enkel des Prinzen meinst?“
Kathryn verdrehte die Augen und wandte sich kopfschüttelnd ab, während die Alte ihr eigenes Gesicht in der flachen Schüssel wusch, die sich im Raum befand.
„Enkel oder nicht Enkel, Rupert wartet in London auf mich.“ Kathryn wandte sich Bridget genau in dem Augenblick wieder zu, als die alte Kinderfrau von einem Hustenanfall geschüttelt wurde. Kathryn fühlte sich sofort schuldig, sie so sehr aufgeregt zu haben.
„Ich verlange ja gar nicht, dass du eines der Kleider anziehst, die ich für dich mitgebracht habe, aber könntest du dich nicht vielleicht ein klein wenig säubern und mich dein Auge und die Lippe ansehen lassen? Wenn eines von beiden bei all diesem Schmutz zu eitern anfängt, wirst du schon sehen, was du davon hast.“
Kathryn gab auf und wusch sich behutsam das Gesicht. Die Wunde am Mund machte ihr keine Beschwerden mehr, aber das Auge schmerzte furchtbar. Es war zwar nicht mehr ganz so geschwollen wie vorher, dafür aber jetzt tiefviolett mit einem grünlichen Ring darum.
„Wenigstens passt es zu deiner Augenfarbe“, machte sich Bridget über das ungewohnte Farbenspiel lustig. Sie umarmte Kathryn kurz. „Du weißt nicht, wie glücklich ich bin, dass wir Baron Somers und seine Frau endlich los sind. Dieser Mensch …“
„Ja, den sind wir los“, begann Kathryn, indem sie die Umarmung der alten Frau erwiderte. Sie wollte über diese Reise nach London sprechen und ahnte, dass Bridget eine Antwort auf ihre Frage haben könnte. „Bridget, mein liebes Mütterchen, warum hat wohl König Heinrich nach mir schicken lassen?“
Bridget schaute Kathryn in die Augen und wollte gerade antworten, wandte sich dann aber ab. „Ich … ich bin mir nicht so ganz sicher, mein Kätzchen. Vielleicht kannte er deine Eltern – oder einen von beiden.“
„Warum habe ich nur das Gefühl, dass du mehr weißt, als du sagst?“
„Vermutlich liegt das an deiner argwöhnischen Natur.“ Bridget drehte ihrer jungen Schutzbefohlenen sichtlich verärgert den Rücken zu.
Kathryn hatte schon früher zahlreiche Fragen über ihre Eltern gestellt, jedoch nie befriedigende Antworten erhalten. Sie wusste, dass sie diese auch diesmal nicht bekommen würde.
Am nächsten Morgen hatte der Regen etwas nachgelassen. Da es aber immer noch anhaltend nieselte, entschloss sich Kathryn mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, keine einzige Meile mehr zu reiten, bis es Bridget gesundheitlich wieder möglich war, die Reise fortzusetzen. Die Alte hatte die ganze Nacht über gehustet, und Kathryn wusste, dass es ihr sehr schlecht ging. Kathryn flocht sich das Haar zu einem festen Zopf und zog sich die alte braune Kappe tief in die Stirn, bis das Haar ganz verdeckt war. Sie befahl Bridget, im Bett zu bleiben, hüllte sich selbst in einen kurzen Umhang und machte sich auf die Suche nach etwas Essbarem zum Frühstück.
Obwohl sie wusste, dass sich die Männer auf zwei der drei belegten Räume verteilt hatten, konnte sie jetzt keinen von ihnen entdecken. Die einzige Person, die sie
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