Historical Exklusiv Band 20
tun?“, fragte Marcus.
„Nichts, Mylord“, antwortete sie. „Es war mir nur daran gelegen, Euch hier zu haben, um den armen Jungen zu beruhigen, falls er aufgewacht wäre. Er hat gespürt, dass Ihr bei ihm wart und ihn getröstet habt.“
„Lasst mich den Rest der Nacht bei dem Kleinen wachen“, sagte er und ging wieder zu Keelin. „Ihr findet ja gewiss den Weg zu Eurem Gemach …“ Er errötete und geriet ins Stottern. „Ihr müsst sehr müde sein.“
Marcus stand nahe genug vor ihr, sodass Keelin die goldfarbenen Wimpern und die feinen grünen Linien erkennen konnte, die das strahlende Blau seiner Iris umgaben. „Ja“, erwiderte sie atemlos. „Ich bin erschöpft. Aber ich bleibe so lange, bis ich Gewissheit habe, dass es dem Jungen besser geht.“
„Ich schulde Euch großen Dank, dass Ihr Euch unermüdlich um meinen Vetter kümmert“, sagte er.
„Er ist ein so lieber Junge“, gab sie zur Antwort, „und ich kann nicht mit ansehen, dass es ihm so schlecht geht. Außerdem waren es meine Landsleute, die …“
„Lady Keelin, Ihr wisst, dass ich Euch nicht für Adams Verletzung oder für den Tod meines Vaters verantwortlich mache.“
Sie wandte sich von ihm ab und überlegte, warum er ihr keinerlei Schuld zuwies. Denn schließlich war es auf ihre Anwesenheit in England zurückzuführen, dass die Söldner der Mageean nahe der walisischen Grenze ihr Unwesen trieben.
Er wollte gewiss nur freundlich sein.
Marcus nahm Keelin das Tuch aus der Hand und gab sich Mühe, dem Jungen die Beine und Waden in gleicher Weise zu kühlen, wie er es bei ihr gesehen hatte. Der Kleine schlief weiter, und er fuhr mit den Fieber senkenden Maßnahmen fort, während Keelin die Kerzen löschte, mit denen sie das Bett erleuchtet hatte. Dann lehnte sie mit angezogenen Beinen in einem großen Stuhl nahe beim Herdfeuer.
Sie wirkte zart und schutzbedürftig, und Marcus wünschte sich nichts sehnlicher, als sie in die Arme zu schließen und so lange umschlungen zu halten, bis sie eingeschlafen war. Aber er riss sich zusammen, kühlte weiterhin Adams Waden und versuchte, seine Gedanken auf die missliche Lage seines Vetters zu lenken.
„Ihr habt sanfte Hände, Mylord“, sagte sie mit einem Mal, und sein Vorhaben, an nichts anderes zu denken als an Adam, war dahin.
Marcus erschauerte bei ihren Worten. Er brachte nur ein unsicheres langezogenes „Hm“ hervor und strich beharrlich über die linke Wade des Jungen.
Keelin war sich der Verlegenheit des jungen Grafen gar nicht bewusst und kuschelte sich tiefer in das ausladende Kissen des Lehnstuhls. „Ich nehme an, dass es für einen Mann Eures Standes eher ungewöhnlich ist, mit großer Geduld einen Kranken zu pflegen, nicht wahr?“
Verlegen räusperte er sich. Es verunsicherte ihn, sich ihren Fragen ausgesetzt zu sehen, und doch musste er zugeben, dass es ihm nicht gänzlich unangenehm war. Schwang in ihrem Tonfall nicht auch ein wenig Bewunderung mit? „Nach einer Schlacht versorgen sich, wenn nötig, alle Männer gegenseitig.“
„Ihr habt an Feldzügen teilgenommen?“, fragte Keelin.
Marcus nickte. „Ich war mit König Henry in Frankreich.“
„Aber König Henry ist seit nunmehr sechs Jahren tot“, unterbrach sie ihn. „Ihr müsst ja damals noch ein sehr junger Mann gewesen sein.“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich war gerade zwanzig, als er starb.“
„Wie ist das“, fragte Keelin weiter, „wenn man fern der Heimat bereit ist, sein Leben zu opfern und um Land kämpft, das einem selbst nie gehören wird?“
Marcus hatte lange nicht mehr an die Schlachtfelder in Frankreich gedacht, doch er erinnerte sich genau daran, dass er mehr als einmal den Sinn eines erbitterten Kampfes hinterfragt hatte. Vor allem dann, wenn er mit seinen Gefährten halb im Schlamm versank, selbst bei großer Hitze eine schwere Rüstung tragen musste und Essen zugeteilt bekam, das nicht selten voller Maden war. „Es war nicht angenehm“, sagte er, „aber Ihr müsstet Euch doch in eine solche Lage hineinversetzen können. Ihr seid hier in England und müsst jeden Tag um Euer Leben bangen.“
„Ja, aber ich muss nicht in die Schlacht ziehen“, entgegnete sie. „Ich höre keine Streitrosse wiehern oder das Klirren der Schwerter.“
„Auch Ihr hättet angegriffen werden können – Ihr seid nach wie vor in Gefahr“, sagte er, doch im selben Moment bereute er seine Worte, als er sah, dass sie bleich vor Entsetzen war. „Seid unbesorgt, Lady Keelin“, fügte er rasch
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