Historical Exklusiv Band 20
gedachte, die Erinnerung an die Jagderlebnisse mit nach Irland zu nehmen. Auf die Abreise wollte er sie nicht mehr ansprechen, und er hoffte inständig, dass sie nicht allzu rasch aufbrechen würde.
14. KAPITEL
Es war noch vor der Mittagsstunde, als die Teilnehmer der Jagdgesellschaft zusammenkamen, um sich zu stärken. Gerald setzte die Falken auf niedrigen Ästen ab, verband ihnen die Augen und befestigte die Lederriemen an den Zweigen. Die Hunde führte man ein Stück die Anhöhe hinunter, sicherte die Leinen und gab den Tieren Wasser und zu fressen.
Wrextons Küchenmeister hatte für genügend Wegzehrung gesorgt, die in einem kleinen Wagen verstaut worden war. Die Jäger holten nun Platten aus den Körben, auf denen Fleischpasteten, Hühnerkeulen, Käse und Brot sowie getrocknete Früchte angerichtet waren und breiteten die Speisen auf der Ladefläche des Wagens aus.
„Es gehört sich, dass Ihr zuerst nehmt, Mylady“, sagte Gerald, als er Keelin einen Teller reichte.
„Habt Dank“, erwiderte sie mit einem Lächeln. Marcus stand hinter ihr, und sie sah, dass er rasch einige Speisen auf seinen Teller lud, um den anderen Platz zu machen. Er war ein rücksichtsvoller Mann, der wusste, dass die hungrigen Jagdleute sich nie erdreisten würden, sich vor ihren Herrn zu drängeln.
Es war nun nicht mehr so kalt wie am frühen Morgen, aber sehr zum Missfallen der Jäger brauten sich dunkle Wolken am Himmel zusammen.
„Ich gebe meinen erstgeborenen Sohn, wenn morgen noch kein Schnee gefallen ist“, meinte einer der Hundeführer, als er zum Himmel schaute.
„Ich kann mir nicht vorstellen, wer den kleinen Frechdachs nehmen würde“, scherzte Marcus, als er Keelin behilflich war, auf einer der ausgebreiteten Pelzdecken Platz zu nehmen.
„Hey, das gefällt mir aber gar nicht!“, rief da der Hundeführer mit gespielter Entrüstung und löste ein fröhliches Lachen in der Runde aus.
Keelin lachte ebenfalls und hatte ihre helle Freude daran, nahe bei Marcus zu sein und mitzuerleben, wie er mit den Männern und Burschen Spaß hatte, die er schon seit Jahren kannte. Nie hatte sie gesehen, dass ihr Vater derart ungezwungen mit jemandem scherzte. Und für sie hatte sich in den zurückliegenden Jahren keine Gelegenheit ergeben, neue Freunde kennenzulernen oder eine heitere Unterhaltung zu genießen.
Marcus machte es sich neben ihr bequem, schlug die Beine übereinander und legte seinen Teller auf den Schoß. Mit dem Knie berührte er ihren Oberschenkel.
Obwohl es sie in diesem Augenblick heiß durchfuhr, hielt Keelin den Blick gesenkt und zwang sich, äußerlich ruhig zu bleiben. Sie atmete tief durch und dachte an die Jagd und an ihren Erfolg im Umgang mit Guinevere.
„Ist Euch noch warm genug, um die Jagd fortzusetzen?“, fragte Marcus.
„J…ja, Mylord“, erwiderte sie und fragte sich sogleich, ob er das Zittern in ihrer Stimme wahrgenommen hatte. Sie durfte sich nicht anmerken lassen, was sie in seiner Gegenwart fühlte, und außerdem wäre es nicht richtig, ihm irgendwelche Hoffnungen zu machen. Dieser angenehme Ausflug war nur von begrenzter Dauer. „Aber ich denke, ich sollte allmählich zur Burg zurückkehren, um nach Adam …“
„Man wird uns rufen, wenn er uns braucht.“
„Lord Wrexton“, mischte sich da der Sohn eines Jagdgefährten ein, „ich möchte eines Tages gerne zu Euren Jägern gehören, aber ich muss noch lernen, mit Pfeil und Bogen umzugehen. Mein Vater sagt immer, Ihr wäret der Einzige, der mir das beibringen kann.“
„Ja, dein Vater hat recht, Junge“, meinte ein anderer Jäger. „Niemand kann besser mit dem Langbogen umgehen als Lord Wrexton.“
Die anderen Männer stimmten dem Jäger zu, und Marcus erklärte sich bereit, dem Jungen den ersten Unterricht im Bogenschießen zu erteilen, sobald die Mahlzeit beendet war.
„Werdet Ihr es auch mir beibringen?“, fragte Keelin.
Marcus runzelte die Stirn, als er sie anschaute. Er hatte noch nie erlebt, dass eine Frau einen Bogen benutzte.
„Mit einem Bogen schießen zu können wäre von großem Vorteil für mich, wenn ich die Heimreise antrete“, fügte sie erklärend hinzu. Wenn sie schon vor der Flucht aus Irland gelernt hätte, Pfeile zu machen und damit zu schießen, wäre es ihr in den letzten Jahren leichtergefallen, sich und Tiarnan Nahrung zu verschaffen. So aber hatte sie lediglich Fallen für Kleinwild aufgestellt und notdürftige Angeln angefertigt, um in den Flüssen zu fischen, auch wenn es ihr nie
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