Historical Exklusiv Band 20
schwer?“, fragte sie.
„Seit zwei Tagen. Sie hatte einen furchtbaren Husten. Dann, in der letzten Nacht, bekam sie kaum noch Luft und fieberte. Sie hat die Augen gar nicht mehr geöffnet.“
Tränen liefen der verzweifelten Mutter über die Wangen. Keelin sah sofort, dass die Erkrankung sehr ernst war. Es war kein gutes Zeichen, dass der Säugling seit Stunden nicht bei Bewusstsein war. Die kleine Peg hatte Fieber, und ihr Kehlkopf war angeschwollen, sodass jeder Atemzug ein pfeifendes Geräusch hervorrief.
Keelin war sich nicht sicher, ob sie in der Lage war, dem Baby zu helfen. Aber sie musste es versuchen.
„Macht es dir etwas aus, wenn ich sie einen Moment nehme?“, fragte sie und berührte den blonden Haarflaum des Säuglings. „Vertraue mir.“
Seit Eldreds Tod lasteten sämtliche Verpflichtungen eines Grafen auf Marcus’ Schultern. Er hatte die ganze Zeit zusammen mit seinem Vater in Wrexton gelebt, nachdem dieser vor fünf Jahren zum Grafen ernannt worden war. Gemeinsam hatten die beiden Männer gelernt, was von einem Grafen erwartet wurde und was dieser seinerseits von anderen verlangen durfte.
Marcus machte sich bewusst, dass ein baldiger Besuch der anderen Ländereien seines Besitzes unumgänglich war, aber zunächst warteten dringende Aufgaben in Wrexton auf ihn, die seine ganze Aufmerksamkeit forderten.
Und so war er den ganzen Vormittag über im Dorf von Wrexton Castle beschäftigt. Gleich bei Tagesanbruch war er mit dem Verwalter durch den Schnee geritten, um den königlichen Beamten zu treffen. Als sie zum Bergfried zurückkehrten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel und glitzerte auf dem frisch gefallenen Schnee.
Ein prächtiger Anblick – kaum dazu geschaffen, um ein ernstes Wort mit Isolda zu reden. Aber es musste sein, je früher, desto besser.
Marcus eilte zum Bergfried und begab sich in die Küche. Es lag nahe, dass Lady Coule sich dort aufhielt und die Bediensteten herumscheuchte.
Er war fest entschlossen, jetzt mit ihr zu sprechen, bevor sich noch weitere Vorfälle ereigneten – zum Nachteil der Bediensteten oder seines irischen Gastes. Isoldas Tage in Wrexton waren gezählt, und er würde es nicht zulassen, dass sie Keelin weiterhin belästigte. Er würde sie jetzt zur Rede stellen und ohne Umschweife zur Sache kommen, genau wie sein Vater es getan hätte. Schon beim ersten Gespräch mit Lady Coule wäre es an der Zeit gewesen, deutliche Worte zu finden.
Marcus lernte, mit seiner neuen Rolle umzugehen, und wuchs mit seinen Aufgaben. Jeder in Wrexton versuchte herauszufinden, wie weit man bei dem jungen Grafen gehen konnte, angefangen vom königlichen Beamten im Dorf bis hin zum Verwalter der Burg. Aber man hatte inzwischen begriffen, dass er genauso vernünftig und umsichtig auftrat wie sein Vater. Zudem hatte er allen verdeutlicht, dass seine Geduld Grenzen hatte.
Er betrat die Küche durch den Hintereingang und stellte fest, dass eine ungute Stimmung die Küchenarbeit zu lähmen schien. Obwohl mehrere Bedienstete da waren, schien keiner den Aufgaben nachzukommen, die erledigt werden mussten, um die Bewohner von Wrexton Castle mit Speisen zu versorgen.
„Was geht hier vor?“, fragte er den Küchenmeister, doch er war sich sicher, dass Isolda erneut für schlechte Stimmung gesorgt hatte. „Was ist geschehen?“
„Es ist Annies Baby“, erwiderte der Mann betroffen. „Das Kind ist erkrankt und …“
„Annie?“, fragte Marcus. „Johns Frau?“ Er erinnerte sich, dass das Mädchen im vorigen Jahr einen Kammerdiener geheiratet hatte. Eldred hatte damals die Gelegenheit zum Anlass genommen, ihn mit der Bemerkung zu plagen, dass er noch immer unverheiratet war, doch sein Vater hatte es nicht böswillig gemeint.
Annie war schon bald nach der Heirat guter Hoffnung gewesen, und Eldred hatte ihr Wochen vor der Niederkunft verboten, harte Arbeit im Bergfried zu verrichten. Stattdessen hatte er dafür gesorgt, dass Isolda dem Mädchen kleinere Aufträge erteilte, damit sie etwas zu tun hatte und glücklich war.
Marcus wusste auch, dass Eldred dem Kind vor einigen Wochen ein Taufgeschenk hatte zukommen lassen.
„Ja, Mylord“, antwortete der Küchenmeister. „Lady Keelin ist bei Annie und versucht, dem Kind zu helfen.“
Dass man die junge Irin zurate gezogen hatte, verwunderte Marcus keineswegs. Es war ihm nicht entgangen, dass sie einen freundlichen Umgang mit allen Bediensteten pflegte. Die Dienerschaft ihrerseits verhielt sich besonders liebenswürdig und
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