Historical Exklusiv Band 20
an.
„Es ist wahr“, sagte er. „Kommt.“
Er nahm ihre Hand, und sie gingen auf einem schmalen, vom Schnee befreiten Pfad in den Burggarten, bis sie ein paar kleine Wacholderbäume erreicht hatten. „Seht Ihr die Misteln, die dort oben wachsen?“, fragte er.
„Ja“, erwiderte sie und betrachtete die ihr bekannten Pflanzen. Marcus legte Bogen und Köcher zur Seite, reckte sich und knickte einen Zweig ab.
„Wenn man Misteln abkocht, kann man ein Rauschmittel aus den Blättern gewinnen“, merkte Keelin an, als er die Zweige in seinen Händen betrachtete. Sie begriff rasch, dass er zögerte, über die Zauberkraft dieser Pflanze zu reden. Auch für sie war es schwierig, vor ihm über Ga Buidhe an Lamhaigh zu sprechen und über die magische Kraft, die von der Lanze ausging.
Er hielt den Zweig in die Höhe, dann sah er Keelin an. Die Glut der Leidenschaft brannte in seinen Augen, und sie spürte, dass seine begehrlichen Blicke sie bis ins Innerste zu versengen drohten. Die Zeit schien still zu stehen, als er sich ihr näherte. Sie hielt den Atem an. Es dürstete sie nach seinen Berührungen, und ein unstillbares Verlangen tief in ihrem Innern erfasste sie ganz und gar.
Langsam schloss sie die Augen, als seine Lippen beinahe ihren Mund berührten. Sie nahm seinen Duft in sich auf, während sie erwartungsvoll seinen Kuss herbeisehnte.
Aber er küsste sie nicht.
Keelin öffnete rasch die Augen, als Marcus sich abwandte und den Bogen und den Köcher vom Boden aufhob. Er schien all seine Kraft zusammenzunehmen, als er heiser hervorbrachte: „Wenn die Zeit gekommen ist, Keelin O’Shea, werde ich Euch die Zauberkraft der Mistel zeigen.“
In ihrem Kopf drehte sich alles. Wenn es noch mehr gab als die magischen Augenblicke, die sie schon mit Marcus erlebt hatte, wusste sie nicht, ob sie dies aushalten würde!
Der Graf nahm ihren Arm und ging mit ihr den Pfad entlang. Er räusperte sich. „Wir müssen auch bald einen Weihnachtsbaum finden“, sagte er beiläufig, als wollte er den Zauber des Augenblicks vertreiben. „Meinem Vater hätte viel daran gelegen, dass alle Bewohner Wrextons mit Freude und frohen Herzen das Weihnachtsfest begehen.“
Keelin brauchte einen Moment, um sich auf seine Worte einzustellen. Es war das erste Mal, dass Marcus ein Weihnachtsfest ohne seinen Vater feiern würde. Wie ungewohnt und schwierig für den jungen Grafen und für ganz Wrexton, denn sie hatte gehört, dass Eldred de Grant bei allen Bewohnern beliebt gewesen war.
Aber sie kam nicht mehr dazu, ihm zu antworten, denn einer der jungen Stallburschen stürmte ihnen auf dem schmalen Pfad entgegen. „Lord Wrexton!“, rief er außer Atem. Er war aufgeregt und schien der Verzweiflung nahe.
„Was ist denn geschehen, Dob?“, fragte Marcus.
„Es geht um Frieda!“, keuchte er. „Marschall Boswell hat mich losgeschickt, um Euch zu suchen. Er braucht Eure Hilfe!“
Der Graf drückte dem Jungen Köcher und Bogen in die Hand. „Du bleibst bei Lady Keelin“, befahl er, bevor er loslief. Er drehte sich noch einmal um und rief über die Schulter: „Sorge dafür, dass sie sicher in den Bergfried gelangt!“
„Ja, Mylord!“
Keelin schaute ihm nach, als er schnell und leichtfüßig den Pfad entlanglief und schließlich um eine Ecke bog. Dann wandte sie sich dem Burschen zu. „Was ist geschehen?“, fragte sie. „Wer ist Frieda?“
„Die Stute von Lord Wrexton“, antwortete Dob und bemühte sich, seine Aufregung zu unterdrücken. „Sie bekommt ihr Fohlen, aber es gibt Schwierigkeiten.“
Keelin erinnerte sich, zwei schöne, trächtige Stuten vor den brennenden Stallungen gesehen zu haben. Eine hatte kastanienbraunes Fell gehabt, die andere war ein grauer Zelter gewesen. Nun war sie bestürzt, als sie von den Schwierigkeiten bei der Geburt hörte, und wollte Marcus folgen. Sie überlegte es sich jedoch anders, da sie daran dachte, was ihr Vater immer gesagt hatte, wenn sie sich in Angelegenheiten mischte, die sie nichts angingen. Vermutlich wäre es auch Marcus nicht ganz recht, wenn sie ihm in dieser angespannten Situation über die Schulter schauen würde.
„Und Lord Wrexton wird Marschall Boswell helfen können?“
„Ja“, erwiderte der Bursche, „er kennt sich mit Pferden aus. Und er will mir alles beibringen.“
„Das ist löblich“, meinte sie zerstreut, denn sie war in Gedanken immer noch bei Marcus, der sie erneut aufgewühlt hatte. Sie hätte dankbar sein sollen, dass er sie nicht geküsst hatte, doch
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