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Schwarzer, Alice

Schwarzer, Alice

Titel: Schwarzer, Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die grosse Verschleierung
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ALICE SCHWARZER
     
    DIE GROSSE VERSCHLEIERUNG
     
    FÜR INTEGRATION. GEGEN ISLAMISMUS
     
     
    ALICE SCHWARZER / VORWORT
     
    Silvester 2007 habe ich in Algier gefeiert. In meiner
»algerischen Familie«. Wir haben bis nachts um vier getanzt, nach arabischen
wie westlichen Klängen. Wir, das waren auf der algerischen Seite: Meine
Kollegin Djamila, die fünf Jahre lang bei mir in Köln Zuflucht gesucht hatte,
weil sie in ihrer Heimat in Lebensgefahr war: Als unverschleierte Frau und
kritische Journalistin stand sie ganz oben auf den Todeslisten der marodierenden
Islamisten. Neben ihr rockte ihre gläubige, unverschleierte Schwester Zohra mit
Ehemann Zahar, ein Möbelhändler, der in die Moschee geht und gerne Wein trinkt.
Dazwischen die Töchter Lili und Mounia, die es in den »Schwarzen Jahren« gewagt
hatten, jeden Tag ohne Kopftuch zur Uni zu gehen, und das so manches Mal nur
knapp überlebt haben. Nicht dabei war Djamilas alte Mutter, die das weiße,
traditionelle Kopftuch trägt und jedes Jahr nach Mekka pilgert (wo sie seit
Jahren auch für mich betet).
    Doch am ausdauerndsten tanzte der Sohn des Hauses, Ganoud,
tief gläubig und resolut lebenslustig. Wenn der Mittzwanziger mit uns durch
die Stadt und an der Küste lang streifte, lautete jeder dritte Satz, mal
ernst, mal lachend: »Alice, le prophete a dit...« Natürlich habe ich ihn damit
aufgezogen. Aber ich habe ihn auch ernst genommen. Und er ist bis heute mein
Maßstab: Ganoud, der sauer ist über die »Arroganz und Hegemonie des Westens«.
Wenn ich mal wieder die Islamisten angreife, frage ich mich: Was würde Ganoud
wohl dazu sagen? Und es würde mich tief beschämen, wenn er eines Tages auch
mich in einen Sack mit den »arroganten Westlern« stecken würde. Bisher ist das
nicht geschehen. Ganoud und ich, wir bleiben im Dialog. In einem echten Dialog.
    Denn der falsche Dialog und die so lange praktizierte
falsche Toleranz haben allen geschadet, nicht nur uns Westlern, sondern allen
voran der Mehrheit der nicht fundamentalistischen Menschen im muslimischen
Kulturkreis, Gläubigen wie Ganoud und Nichtgläubigen wie Djamila.
    Diese falsche Toleranz hat den Westen 30 Jahre lang wegsehen
lassen: beim Iran, wo die Menschenrechte seit 1979 mit Füßen getreten werden;
in Afghanistan, wo die Taliban mit aktiver Unterstützung Amerikas (und
Deutschlands!) die sowjetischen Besatzer verjagten und 1992 die
Terrorherrschaft übernahmen; in Tschetschenien, wo nicht nur die russische
Soldateska von Übel ist, sondern auch die Islamisten ein Problem sind, die
bereits 1996 (!) die Scharia einführten; in Algerien, wo die sogenannten
»Afghanen«, die aus dem Krieg in Afghanistan zurückgekehrten Söldner, in den
1990er-Jahren einen Bürgerkrieg anzettelten, der über 100.000 Menschen das
Leben kostete; in Schwarzafrika, wo der von den Gotteskriegern gezündelte
Flächenbrand unaufhaltsam um sich greift - und in Europa, wo wir es zugelassen
haben, dass mitten unter uns Menschen als »die Anderen«, als Bürgerinnen
zweiter Klasse behandelt werden und der Rechtsstaat relativiert wird. »Die
Kulturfalle« nennt das die Fatwa-Verfolgte Khalida Messaoudi-Toumi, die als
Mathematiklehrerin jahrelang auf der Flucht war und heute algerische
Kulturministerin ist.
    Dabei war alles von Anfang an klar. Als ich 1979 zusammen
mit einer kleinen Gruppe französischer Intellektueller wenige Wochen nach der
Machtergreifung Khomeinis im Iran war - dem Hilferuf entrechteter Frauen
folgend - haben wir mit zahlreichen Verantwortlichen des neuen Regimes
gesprochen: mit Ministerpräsident Bazargan (der wenig später ins Exil floh),
mit Ober-Ayatollah Talegani (der später ermordet wurde) und mit den neuen
Führerinnen der Iranischen Frauenunion (von denen bald viele spurlos
verschwanden). Diese in Granit gemeißelten »Heldinnen der Revolution« hatten
den Schah mit der Kalaschnikow unter dem Tschador verjagt oder waren aus dem
Exil zurückgekehrt.
    Sie alle waren aufgeklärte und hochgebildete Menschen. Und
sie alle antworteten auf unsere Fragen: Ja, wir wollen den Gottesstaat! Ja,
wir werden die Scharia einführen, das ist Allahs Wille! Ja, selbstverständlich
steht dann Tod durch Steinigung auf Homosexualität oder Ehebruch (der Frau)!
Und dabei lächelten sie liebenswürdig.
    Nein, die Islamisten haben nie einen Hehl aus ihren Absichten
gemacht. So wenig wie einst die Nationalsozialisten. Auch in »Mein Kampf« stand
ja schon alles drin. Auch wir hätten es damals wissen können, ja

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