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HISTORICAL JUBILÄUM Band 03

HISTORICAL JUBILÄUM Band 03

Titel: HISTORICAL JUBILÄUM Band 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: RUTH LANGAN
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entgegen.
    Umständlich räusperte sich der alte Seemann. Er wusste, dass er stets freiheraus sagte, was er dachte, doch in diesem Augenblick wünschte er sich, den richtigen Ton zu treffen. Er atmete tief durch und kam geradewegs zur Sache. „Ihr habt ein Auge auf den Captain geworfen.“
    Gryf lächelte. „Welcher Mann würde sich anders verhalten?“
    „Aber es ist nicht beim Anschauen geblieben.“
    Gryf schwieg und fragte sich, worauf der Erste Offizier hinauswollte.
    Das Schweigen verwirrte den alten Mann mehr als jedes Wort. Vielleicht hatte er gehofft, Gryf würde alles abstreiten. Oder sich zumindest entschuldigen. Er war sich nicht sicher, was er erwartet hatte. Aber gewiss nicht dieses beharrliche Schweigen.
    Newton seufzte. „Ich denke, Ihr solltet es erfahren. Das Mädchen hat vor Kurzem einen schmerzlichen Verlust hinnehmen müssen.“
    Er sah, dass sein Gegenüber ruckartig den Kopf hob.
    „Ich habe es geahnt. Könnt Ihr mir davon erzählen, Newt?“
    „Das kann ich. Der Mann, den sie seit Kindheitstagen liebte, ist auf See geblieben.“ Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht beabsichtigt, derartige Vertraulichkeiten auszuplaudern. Doch jetzt erkannte Newton, dass dies die Gelegenheit war, Gryfs Verhalten zu beobachten. Darcy war nicht die Einzige, die sich Gedanken um die wahre Identität dieses geheimnisvollen Mannes machte. Immerhin war er genauso groß wie Gray. Er ähnelte ihm sogar manchmal, wenn er die Schultern straffte, aufs Meer hinaussah oder wenn er sich auf Deck bewegte und sich gegen den Wind stellte. Er wirkte wie ein Mann, der für die Seefahrt geboren war. Wie Gray.
    Der alte Mann wartete einen kurzen Moment, bevor er sagte: „Sein Name war Graham Barton.“
    Bei der Erwähnung dieses Namens gab es kein Aufleuchten in Gryfs Augen. Mehr noch, er reagierte überhaupt nicht. Newton wusste nicht, ob er nun erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Hatte auch er, genau wie Darcy, gewollt, dass er Gray wäre? Oder hatte er lediglich gehofft, das Geheimnis ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen? Wenn ja, hatte er sich geirrt. Jetzt gab es nur noch mehr Fragen.
    „Und sie liebte diesen Mann?“
    „Fürwahr. Wir … ihre Familie befürchtete, sie würde sich von dem Schock nicht erholen. Diese Fahrt aber schien genau das Richtige zu sein, um sie aus ihrem Kummer herauszuholen und in den Lauf des Lebens zurückzubringen.“
    Das würde erklären, warum das Schiff und die Besatzung in diesem Teil des Atlantiks dem Winter trotzten. Gryf nickte. „Darcy ist eine starke Frau, Newt. Das spürt man. Sie wird überleben.“
    „Ja. Das wird sie. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie schon bereit ist, ihr Herz für einen anderen Mann zu öffnen. Es ist noch zu früh. Die Wunden sind noch nicht verheilt.“
    Gedankenverloren rieb Gryf sich die Schulter. „Ich weiß ein wenig über Wunden und wie lange es dauert, bis sie verheilen.“
    Das Schankmädchen brachte Schalen mit heißer Suppe und einen Teller mit knusprigem Brot. Als sie wieder in die Küche ging, nahm der alte Mann den Laib und brach ein großes Stück davon ab. „Dann versteht Ihr ja vielleicht, warum ich mir Sorgen um das Mädchen mache. Der Kummer hat ihr das Herz gebrochen. Einen weiteren Schmerz wird sie kaum verkraften.“
    In Gryfs Stimme schwang Entrüstung mit. „Warum denkt Ihr, dass ich ihr Kummer bereite?“
    „Weil …“ Newton kostete von der Suppe, streute Brotstücke auf den Teller und beschloss, so ehrlich wie möglich zu sein, als er fortfuhr: „Ich glaube, in ihren Gedanken verwechselt sie Euch mit dem Mann, den sie verloren hat.“
    Er konnte deutlich sehen, wie Kummer und sogar Zorn in Gryfs Augen aufblitzten, als er diese Äußerung verarbeitete. Kein Mann hörte so etwas gerne. Schon gar nicht, wenn er etwas für die Frau empfand, um die es ging.
    „Ihr seid wie er, versteht Ihr? In vielerlei Hinsicht.“ Es musste sein, versicherte sich der alte Seemann. Um Darcys willen. Für gewöhnlich mischte er sich nirgends ein, doch hier ging es um etwas anderes. Darcy hielt sich selbst für sehr tapfer. Aber unter der rauen Schale war sie immer noch das kleine Mädchen, das einst unter Tränen die kleinen Ärmchen um seinen Nacken geschlungen hatte, da ihr Kätzchen von einer Kutsche überfahren worden war. Sie hatte so bitterlich geweint, als ob es ihr das Herz gebrochen hätte. Und in jenem Augenblick hatte er genauso gelitten wie sie.
    Sie war wie eine Tochter für ihn, und er würde sie mit seinem

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