Historical Saison Band 01: Ein Duke zum Fest der Liebe? / Eine pikante Weihnachtsüberraschung / Maskerade unterm Mistelzweig / Die Nacht der heimlichen Wünsche
Kassabuch.
Zu ihrer Bestürzung stand dort schwarz auf weiß eine andere Summe – zehn Shilling und viereinhalb Pence. Es fehlten ganze drei Shilling.
Lavinia zählte noch einmal nach, aber es war ihr kein Fehler unterlaufen. Was sie allerdings auch nicht angenommen hatte. Niemand würde ihr einen Vorwurf machen, das wusste sie. Ihr Vater war zu krank, um die Bücher zu überprüfen, und ihr Bruder würde ihre Kompetenz niemals infrage stellen.
Doch sie selbst konnte sich einen solch horrenden Fehler nicht verzeihen. Wie hatte sie so nachlässig sein können? Einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, der Raum drehe sich um sie, und sie suchte am Schreibtisch Halt.
Natürlich wusste sie, was sie tun musste, sosehr es sie auch schmerzte. Diese drei Shilling konnten den Ausschlag geben, wenn es darum ging, Weihnachten mit oder ohne Festtagsgans zu feiern. Wichtiger war allerdings, dass sie von den Gläubigern ihres Vaters bedrängt wurden und auch die Kosten seiner Medikamente von Monat zu Monat stiegen. Die Familie konnte sich selbst den Verlust einiger Pence nicht leisten. Schweren Herzens öffnete Lavinia die Schreibtischschublade, um mit einem Teil ihres mühsam ersparten Vorrats die fehlende Summe zu ersetzen.
Der Beutel lag immer an derselben Stelle – auf der linken Seite weit nach hinten geschoben. Doch sie ertastete keinen Samtstoff und keine harten Münzen.
Erschrocken durchsuchte sie die Schublade und schaute dann hinein. Nur ein zerbrochenes Tintenfass lag darin, leer bis auf einen winzigen bläulichen Fleck.
„Teufel.“ Es war das schlimmste Schimpfwort, das sie kannte, und auch das konnte sie nur flüstern. Obwohl ihr nach Schreien zumute war, schnürte das Entsetzen ihr die Kehle zu.
Es fehlten ihr nicht nur wenige Shilling, sondern ganze zwei Pfund. Plötzlich rückte ihr Weihnachtsfest in unerreichbare Ferne. Es würde keine feierliche Dekoration aus Stechpalmenzweigen geben und kein köstliches Weihnachtsmenü.
„Vinny?“, erklang eine leicht zittrige Stimme hinter ihr.
Kaum hatte Lavinia sie gehört, gab es keinen Zweifel mehr für sie, wer ihre kostbaren zwei Pfund genommen hatte.
Sie presste die Hände zusammen, als müsse sie sich so davon abhalten, jemandem Gewalt anzutun, und wandte sich langsam um. Ihr Bruder musste hereingekommen sein, ohne dass sie es in ihrer Aufregung bemerkt hatte. Warm gegen das kalte Wetter in Mantel und Schal eingemummt, lächelte er unsicher und streckte in unbewusstem Flehen die Hände aus. Wasser tropfte von seinem Mantel und sammelte sich in einer kleinen Pfütze auf dem Boden.
James war vier Jahre jünger als sie, verhielt sich aber für gewöhnlich sogar noch unreifer, als es sein Alter rechtfertigte.
„Oh.“ Er hatte die Münzen auf dem Schreibtisch und die weit offene Schublade bemerkt und biss sich voller Unbehagen auf die Unterlippe. „Wie ich sehe, hast du die Kassenabrechnung schon gemacht.“
„James Allen Spencer.“ Lavinia packte ihn entschlossen beim Ohr.
Er zuckte zusammen, protestierte aber nicht – ein weiteres Zeichen für seine Schuld.
„Was hast du mit meinen zwei Pfund gemacht?“, verlangte sie zu wissen.
Es war warm in der Leihbücherei, doch William White spürte die eisige Winterkälte noch immer bis ins Mark. Unwillkürlich umfasste er die einzige Geldnote in seiner Tasche fester. Seit zehn Jahren hatte ihm keiner eine frohe Weihnacht gewünscht. In gewisser Weise war es nur passend, dass es ausgerechnet heute geschah und noch dazu von Lavinia Spencer ausgesprochen wurde.
Weihnachten war ein Fest für die Reichen und vielleicht noch ein tröstliches Trugbild für die Jungen und Unschuldigen. Seit jenem Winterabend vor zehn Jahren gehörte er weder zu den einen noch zu den anderen. Damals fand das angenehme Leben, das er bis dahin geführt hatte, ein jähes Ende.
Heute hatte ihn nach so langer Zeit ein Anwalt ausfindig gemacht, als er gerade das Kontor seines Lohnherrn nach einem weiteren erbärmlichen Tag anstrengender Arbeit verließ, die er für das erbärmliche Entgelt von vier Pfund und zehn Shilling im Quartal verrichtete. Kaum hatte er den Fuß vor die Tür gesetzt, da wurde er bereits von dem Mann angesprochen.
Als der Anwalt sich vorstellte, hoffte William einen Augenblick, Mr. Sherrod habe es endlich für recht befunden, sich an das Versprechen zu erinnern, das er ihm einst gegeben hatte: dass er würde heimkehren dürfen. Er würde die niedere Arbeit als Schreibkraft ebenso aufgeben können wie seine
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