Historical Saison Band 18 (German Edition)
seine dunkelbraunen Augen zu schauen, die sie in all den langen und einsamen Monaten nicht hatte vergessen können. Sie hatte sie unerbittlich, durchdringend oder spöttisch erlebt, doch jetzt strahlten sie etwas anderes aus. Eine Spur freundlichen Mitleids verbarg sich hinter offenkundiger Neugier. So oder so waren es auf keinen Fall die Augen eines niederträchtigen Mörders.
Sie seufzte und schüttelte den Kopf, sodass ihr die seidigen schwarzen Locken ins Gesicht fielen. Mit zitternden Händen schob sie die Strähnen zurück. „Ich verstehe es einfach nicht“, gestand sie schließlich.
„Dann haben wir zumindest eines gemeinsam, meine Süße“, erwiderte er. „Auch wenn ich vielleicht nicht mehr ganz so im Dunkeln tappe wie zu Beginn unserer Bekanntschaft“, fügte er einen Moment später hinzu. „Gehe ich recht in der Annahme, dass dein unkonventionelles Verhalten im letzten Herbst und deine waghalsige Unternehmung heute Abend etwas mit dem Tod deines Patenonkels zu tun haben?“
Ihr erschrockener Blick war ihm Antwort genug. „Ja, das dachte ich mir schon. Nachdem ich mich auf dem Ball der Mertons kurz mit der Countess of Grenville unterhalten habe, kam mir dieser Gedanke.“
„Du hast mit Ihrer Ladyschaft gesprochen? Aber warum?“
Er winkte ab. „Ich erinnere mich nicht mehr genau daran, was mich dazu veranlasst hat, sie mit meiner Gesellschaft zu beglücken“, entgegnete er in seiner selbstsicheren und ironischen Art. „Jedenfalls fiel während unseres Gesprächs dein Name, und es wurde rasch deutlich, dass sie sehr beunruhigt war, weil du sie nicht auf den Ball begleitet hattest.“ Ein Lächeln unterdrückend fuhr er fort: „So grenzenlos neugierig wie ich manchmal bin, und so gelangweilt von der Eintönigkeit des Balls gestern Abend, beschloss ich, meinen Wissensdurst zu stillen, und stattete dem Stadthaus der Grenvilles einen Besuch ab. Dort hatte ich das Vergnügen, ein kurzes Gespräch mit deinem Diener zu führen.“
Auch wenn sie kaum glauben konnte, was sie da hörte, verstand Georgiana endlich, warum sich Lord Fincham in der verrufenen Gegend nahe der Taverne aufgehalten hatte. „Digby hat dir verraten, wohin ich unterwegs war, nicht wahr!?“
Die Verärgerung in ihrer Stimme war nicht zu überhören, weshalb er sich veranlasst sah, den Diener in Schutz zu nehmen. „Nur weil er sich schreckliche Sorgen um dich gemacht hat, ließ er sich dazu überreden. Aber er wollte auf keinen Fall offenbaren, weshalb du gegangen warst. Ich habe mir nach und nach selbst einen Reim darauf gemacht. Ich fragte mich, weshalb eine junge Frau, die sich normalerweise höchst schicklich verhält, gelegentlich so verwegen, geradezu skandalös handelt?“
Sie lächelte, da sie nur zu gut wusste, wie herzlich wenig der Viscount sich darüber empörte. „Deine Annahme war richtig“, bestätigte sie. „Und ich danke dir, dass du für meine sichere Rückkehr gesorgt hast. Auch wenn ich es bevorzugt hätte, du hättest nicht zu solch rüpelhaften Methoden gegriffen und von Anfang an deine Identität offengelegt. Ich nehme allerdings an, du wolltest mir einen Schrecken einjagen und mir eine Lektion erteilen.“
Ihr vorwurfsvoller Blick ließ ihn vollkommen ungerührt. Noch weniger beeindruckt zeigte er sich, als sie aufstand und ihr halb volles Glas auf dem Kaminsims abstellte, als ob sie nun aufbrechen wollte.
„Hast du etwa vor zu gehen, junge Dame?“, erkundigte er sich ein wenig müde. „Wenn du auch nur einen Augenblick denkst, ich würde hier ruhig sitzen bleiben und dich ohne eine vollständige Erklärung für dein extravagantes Verhalten ziehen lassen, hast du dich getäuscht.“
Sie nahm ihm seine überhebliche und herrische Haltung übel, die doch so sehr zu seinem Charakter gehörte. Außerdem ärgerte sie sich, ihm so vollkommen ausgeliefert zu sein.
Ihre finsteren Blicke ließen ihn kalt. Er würde nicht nachgeben, bevor er nicht die ganze Wahrheit erfahren hatte. „Oh, verdammt! Warum musst du dich da einmischen? Die Angelegenheit betrifft dich nicht.“
„Selbstverständlich betrifft sie mich“, widersprach er und stellte sein leeres Glas zur Seite. Dann erhob er sich, ergriff ihre Schultern und schüttelte sie leicht. „Keine weiteren Ausflüchte mehr! Ohne dass ich es wusste, bin ich schon damals in Deerhampton in die Sache hineingezogen worden.“ Er sah sie eindringlich an. „Oder war unsere erste Begegnung gar kein Zufall? Hattest du vielleicht alles so geplant?“
Ihre
Weitere Kostenlose Bücher