Historical Saison Band 18 (German Edition)
Seide ergoss sich wie ein golden glänzender Wasserfall über ihren Arm. Sie hob die Robe hoch, damit ihre Zofe sie bewundern konnte. Jia-Li näherte sich langsam, hielt kurz vor dem luxuriösen Stoff mit erhobenen Händen inne und seufzte.
„Das Gewand des Sonnenkönigs ist so wundervoll, wie alle behaupten“, stieß sie ehrfürchtig hervor.
„Und es wäre an einer Dame wie Miss Wilkinson völlig verschwendet gewesen, denkst du nicht auch, Jia-Li?“
Isabelle gab das Kleidungsstück der Zofe, die es behutsam faltete und dann versteckte.
„Was haben Sie damit vor?“, fragte sie, während sie Verschiedenes aus den Schubladen holte.
„Ich werde es morgen in Wan Chai verkaufen“, antwortete Isabelle und zuckte mit den Schultern. „Was hast du mir für den Ball ausgesucht?“
Jia-Li holte ein Gewand aus dem Ankleidezimmer und hielt es hoch. Die scharlachrote Robe war aus feinster chinesischer Seide gefertigt. Dieser prächtige Glanz, diese leuchtenden Farben, diese Qualität! Stoffe aus dem Westen konnten niemals mithalten ….
Isabelle nickte anerkennend. Die Wahl war gewagt: Das Kleid entsprach nicht der gängigen Mode, weder in der Farbe noch in der Form. Die Damen der Gesellschaft trugen diese Saison pastellfarbene Abendroben, die an den Ärmeln reich mit Spitze verziert waren, und ausladende Reifröcke.
Lächelnd schlüpfte Isabelle aus ihrem engen Seidenanzug und befreite ihre langen schwarzen Locken von der Kapuze. Da ohnehin bereits alle im Ballsaal auf sie warteten, konnte sie ihnen ruhig einen spektakulären Auftritt bieten.
3. KAPITEL
L ord Henry James fühlte sich rastlos. Wer war diese geheimnisvolle Frau, der er im Flur begegnet war? Unaufhörlich kreiste diese Frage in seinem Kopf, während er seinen Blick durch den überfüllten Ballsaal schweifen ließ.
Aus einem Impuls heraus hatte er die Fremde hinter den Vorhang gezogen, um alle Beweise, die seinen jüngsten Fehltritt offenbaren könnten, vor neugierigen Augen zu verbergen. Allein die Erinnerung an ihr Jasminparfüm war berauschender als alle flüchtigen Vergnügungen, die er je genossen hatte. Wenn er die Augen schloss, glaubte er immer noch, die Rundungen ihrer Hüften unter seinen Händen zu spüren, den sanften Druck ihrer wohlgeformten Brüste, als er sie an sich gepresst hatte. Und diese unvergleichlichen grünen Augen …
Ein leises Kichern erinnerte ihn daran, dass er sich inmitten einer Unterhaltung befand.
Henry lächelte gequält und betrachtete die kleine Schar errötender Debütantinnen hinunter, die ihn umschwärmten wie Bienen einen Honigtopf. Sie bildeten die erste Vorhut der hoffnungsvollen Gattenjägerinnen auf dem Herbstball des Gouverneurs und hatten mehr Mut als die anderen bewiesen, indem sie ihn sofort umzingelten. Ein flüchtiger Blick in die Gesichter der versammelten Mütter hatte Henry ihre Gedanken erraten lassen. Ihnen stand förmlich ins Gesicht geschrieben, dass sie ihn, den vierten Sohn des Duke of Exeter, für einen ausgezeichneten Fang für ihre Töchter hielten.
Die barsche Anweisung seines Vaters hallte in seinem Kopf wider, und die Verbitterung darüber schnürte ihm die Kehle zu. Such dir eine Gemahlin, so hatte sein Befehl gelautet.
Henry unterdrückte ein Seufzen, dann schaute er hinüber zu seinem Gastgeber, dem Gouverneur von Hongkong. Angeblich hatte er eine Tochter, und Henry wusste, dass sein Vater hocherfreut wäre, wenn er Verbindungen zum Fernosthandel knüpfen könnte.
Eine federleichte Berührung an seinem Arm ließ ihn überrascht aufschauen, und als er sich umdrehte, sah er eine durchaus reizvolle Frau an seiner Seite. Ein schüchternes Lächeln umspielte ihre rosigen Lippen, und sie hatte die Spitze ihres Fächers an ihr Kinn gelegt. Ihre blonden Korkenzieherlocken und die blauen Augen machten sie zu einer Schönheit – allerdings zu einer der konventionellen, wenig überraschenden Sorte.
Aber das war ohne Belang, hatte sie sich ihm doch auf äußerst kühne Weise genähert und damit selbst die Grenzen des nicht gar so strengen kolonialen Protokolls überschritten. Er hieß diesen Verstoß gegen die Konventionen sehr willkommen.
„Möchten Sie noch einen Drink, Mylord?“, fragte sie einladend und lächelte kokett.
„Sie bieten wildfremden Männern Getränke an?“, erwiderte er, mit einem scherzhaften Tadel in der Stimme.
„Aber Sir, ganz und gar nicht“, erwiderte sie und ließ den Fächer mit einer schnellen Bewegung des Handgelenks aufklappen. „Der Name Lord
Weitere Kostenlose Bücher