Historical Weihnachten Band 04: Zeit der Hoffnung, Zeit der Liebe? / Mein Engel der Weihnacht / Ein Weihnachtsmärchen in London
aufzuwärmen.“ Tante Hortense legte prüfend die Hand an die Teekanne, entschied offenbar, sie sei heiß genug, und schenkte eine Tasse ein. Genüsslich legte Claire die kalten Hände um die zarte Porzellantasse und nippte behutsam. Tante Hortense und Eloise und Cousine Tillie zwängten sich auf das Sofa ihr gegenüber, Onkel Abner hockte sich auf die Armlehne. Claire schloss einen Moment die Augen, um die Wärme auszukosten, die sich allmählich in ihr auszubreiten begann. Als sie sie wieder öffnete, entging ihr die Anspannung in den vier Gesichtern nicht.
„Was ist?“ Insgeheim wappnete sie sich für das Schlimmste. „Ist etwas geschehen?“
Drei von ihnen platzten im selben Moment heraus:
„Wir haben Neuigkeiten.“
„Wir werden dieses Jahr Weihnachten feiern.“
„Wir bekommen Besuch.“
Claire brauchte eine Weile, um die verschiedenen Gedankengänge in einen logischen Zusammenhang zu bringen.
Tante Hortense rutschte an die Kante des Sofas und ergriff die Initiative. „Du erinnerst dich doch an Cousin Ralph Hutton, der in Indien lebt?“, fragte sie.
„Natürlich erinnere ich mich“, erwiderte Claire. Wie sollte sie auch nicht? Mit jedem Brief und Paket ihres geschätzten Cousins – eigentlich war es der Enkel eines Cousins – ergingen die Mayhews sich regelmäßig in einer wahren Lobeshymne über die Tugenden des Mannes. Cousin Ralph stellte sich sehr klug an im Umgang mit Zahlen und Geld. In seinen Adern floss kein Blut, sondern die Tinte der Kassenbücher. Er konnte mit einem Penny in der Tasche einen Abendspaziergang beginnen und würde mit einem Pfund heimkehren. Cousin Ralph war, kurz gesagt, so zuverlässig wie die Bank von England und so vernünftig wie wollene Socken. Er war treu, pflichtbewusst, vertrauenswürdig und fleißig – was Claire immer irgendwie an die Eigenschaften eines Schäferhunds erinnerte.
So lobenswert seine Tugenden allerdings auch sein mochten, bei der Lektüre seiner Briefe fielen Claire regelmäßig die Augen zu. Seine Berichte, die die Mayhews jedes Mal in Entzücken versetzten, hatten den Charme eines Kontorberichts. Und die Dinge, die er immer schickte! Die seltsamen Skulpturen und Schnitzarbeiten waren, wie Claire dann in Erfahrung gebracht hatte, Objekte der Ehrerbietung und Gottesanbetung in Indien und dem Fernen Osten – eigentlich also Götzenbilder. Ein wirklich merkwürdiges Sammelsurium an Dingen für eine Schar englischer, hoffnungslos in Trauer versunkener alter Herrschaften.
Noch schlimmer, Claire brauchte über keine hellseherischen Fähigkeiten zu verfügen, um zu erkennen, dass die Lobeshymnen einen ganz bestimmten Zweck verfolgten.
Und über diesen Zweck wollte Claire lieber gar nicht weiter nachdenken.
„Wir erhielten heute Morgen einen Brief“, erzählte Onkel Abner mit so großer Begeisterung wie schon seit Jahren nicht mehr. „Wie es scheint, hat er die Merchant-Holmes-Handelsgesellschaft vor einem Monat verlassen. Er hat gekündigt und befindet sich bereits auf dem Weg nach England.“
„Zu uns“, fügte Tante Hortense hinzu, die Hand auf die Brust gepresst, offensichtlich außer sich vor Entzücken.
„Zu diesem Haus“, warf Cousine Tillie ein, als wage sie es kaum zu hoffen.
„Er kommt am Heiligabend an.“ Tante Eloise sorgte immer dafür, dass die praktische Seite der Dinge nicht vernachlässigt wurde.
Claire blickte durch die offene Salontür zu den Kisten und Kartons hinüber, die sich in der Halle stapelten. Cousin Ralphs Besuch hatte die Mayhews aus ihrem Kummer gerissen und sie dazu gebracht, sich wieder der menschlichen Gesellschaft zuzuwenden – und das innerhalb eines einzigen Tages. Das war wahrlich ein Wunder, mindestens so erstaunlich wie die Teilung des Roten Meeres!
„Wie … wundervoll“, sagte Claire mit schwacher Stimme und stopfte sich schnell ein Stück vom Teegebäck in den Mund, um nicht mit etwas herauszuplatzen, das die Begeisterung der alten Herrschaften dämpfen könnte.
„Ich hätte nie gedacht, wieder einen so glücklichen Tag zu erleben.“ Tante Hortenses Blick war auf einen unsichtbaren Punkt in der Ferne gerichtet. „Unser lieber Ralph kommt heim.“
„Und noch dazu zu Weihnachten.“ Cousine Tillie betupfte sich gerührt die Augen.
„Bei allen Heiligen!“ Onkel Abner unterstrich seine Worte, indem er mit der Faust in die Handfläche hieb. „Wir müssen den Jungen angemessen willkommen heißen.“
„So viele Jahre war er von zu Hause fort, gefangen an jenem schrecklichen
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