Historical Weihnachtsband Band 4
Er nahm es in die Hand, brach das Siegel seines Vaters und überflog die wenigen Zeilen.
Ich wollte dich nicht stören lassen, da du ganz offensichtlich erschöpft warst. Addie und Grace geht es gut. Sie sind zwar genauso müde wie du, aber der Unfall hat ihnen nichts Ernstes anhaben können .
Sebastian schloss einen Moment die Augen. Dem Himmel sei Dank.
Wenn du dich morgen früh erholt hast, möchte ich mich mit dir unterhalten. Wir haben viel zu besprechen, und zwar eine gewisse Bekanntgabe ...
Verblüfft hielt er beim Lesen inne. Wollte sein Vater wissen, warum er seine Verlobung mit Grace noch nicht bekannt gegeben hatte? Oder hatte Evan schließlich doch noch um Addie angehalten, und sein Vater bezog sich auf diese Bekanntgabe?
Gewiss Letzteres, da Addie morgen abreisen würde.
Sebastian biss unwillkürlich die Zähne zusammen. Wenn Evan heute noch nicht seinen Antrag gemacht hatte, dann musste er es morgen tun, verdammt. Er selbst würde sofort im Anschluss daran abreisen. Weil er nicht glaubte, er könnte seine Gefühle noch sehr viel länger verbergen.
Seufzend fuhr Sebastian sich mit der Hand durch das Haar. Waren sie schon verlobt?
Er musste es einfach wissen. Und zwar sofort. Evan sollte es ihm sagen. Am besten holten sie jetzt die Unterhaltung nach, die sie eigentlich heute Nachmittag hatten führen wollen. Wider besseres Wissen entschloss er sich, seinen Bruder in diesem Moment aufzusuchen. Er hatte die Tür schon fast erreicht, da klopfte es. Erstaunt öffnete er.
Evan stand im Gang und sah aufgewühlter aus, als Sebastian ihn je erlebt hatte. „Wir müssen reden“, sagte er fast barsch. „Kann ich hereinkommen?“
„Selbstverständlich.“ Sebastian trat zurück, um seinen Bruder vorbeizulassen, und schloss die Tür. „Seltsamerweise war ich auch gerade auf dem Weg zu dir.“
Es wunderte ihn, dass sein Bruder ihn nicht nach dem Grund fragte und eigentlich sogar den Eindruck machte, ihm gar nicht zugehört zu haben. Evan begann stattdessen unruhig vor dem Kamin auf und ab zu gehen. Dann blieb er abrupt stehen und wandte sich Sebastian zu. Sein Gesicht war blass und abgehärmt, sein Blick ungewohnt finster.
„Ich muss dir etwas sagen, Sebastian.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das ohnehin schon zerzauste Haar. „Es betrifft Grace.“
„Geht es ihr nicht gut?“, fragte Sebastian besorgt.
„Nein, nein, sie ist gesund. Es ist nur ... Zum Kuckuck, es gibt keinen anderen Weg, als es einfach geradeheraus zu sagen.“ Er atmete tief ein und straffte die Schultern.
„Ich liebe sie.“
Sebastian lachte. „Natürlich liebst du sie. Jeder liebt Grace.“
Evan schüttelte so heftig den Kopf, dass seine Brille bis zur Nasenspitze rutschte.
„Nein, ich meine, ich bin in sie verliebt.“
Die Worte schienen danach noch eine Weile schicksalhaft in der Luft zu schweben.
Sebastian brachte einen Moment keinen Ton heraus. Und selbst dann, da er annahm, er müsse sich verhört haben, fragte er nur leise: „Wie bitte?“
„Ich bin verliebt. In Grace.“ Evan holte wieder tief Luft und fuhr hastig fort: „Seit Jahren verberge ich meine wahren Gefühle für sie, aber nach dem Unfall heute ist irgendetwas mit mir passiert, und ich ... ich küsste sie. Ich konnte mich einfach nicht zurückhalten. Ich habe sie geküsst.“ Sein Redeschwall endete abrupt, seine nächsten Worte spiegelten unendlichen Kummer wider. „Es tut mir so leid, Sebastian. Ich wollte es wirklich nicht, und seitdem quälen mich die fürchterlichsten Schuldgefühle, aber ich musste es dir eingestehen. Jetzt hoffe ich nur, dass du mich nicht hassen wirst.“
Langsam ging Sebastian auf Evan zu, noch völlig unfähig, seine wirren Gedanken zu ordnen. Schließlich legte er seinem Bruder die Hand auf die Schulter. „Lass mich sichergehen, dass ich dich auch verstehe. Du liebst Grace.“
„Ja.“
„Nicht Addie.“
Heiße Röte stieg in Evans blasse Wangen. „Ich liebe sie, aber nur wie eine Schwester.“
Zaghaft erlaubte Sebastian sich, sich an einen winzigen Hoffnungsschimmer zu klammern. „Du hast also nicht den Wunsch, Addie zu heiraten?“
„Nicht im Geringsten.“
„Den Kuss, den du Grace gabst ... wie hat sie darauf reagiert?“
Evan errötete noch heftiger. „Sie ... nun ja, sie hat ihn erwidert.“
„Da hol mich doch der Teufel!“, entfuhr es ihm.
„Es tut mir wirklich leid, Sebastian. Wir beide sind ...“
„Sie liebt dich auch?“
Evan nickte. Seine Miene spiegelte eine Mischung aus Freude und
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