Hochzeit kommt vor dem Fall
mit solchen Worten geschildert wird, sieht sich die Verfasserin von ihrem vorzüglichsten Kunstmittel, der humanen Ironie, verlassen.
Diese Ironie waltet sonst durchaus und nichts wäre unsinniger, als sie für destruktiv zu halten, wie man das bei uns zulande (man denke nur an die Schicksale von Tucholskys Prosa) gar zu gerne tut. Die liebenswürdige Ironie erleichtert das Schwere. Schon die Typen, die gesamte Typologie dieser Gesellschaft, entbehren nicht der Ironie und gewinnen an lebendiger Glaubhaftigkeit durch das wacherhaltene Bewußtsein, daß hier in Reinkultur dargestellt wird, was so true to type nicht oder nicht mehr existiert – eine Diskrepanz, die etwas Versöhnliches mit sich bringt. Ironisch zu nehmen sind all the story-book things, Reichtum und Souveränität, Gespräch mit dem Papst und der künftige Hausstand mit elf Dienstboten, zu schweigen vom herzoglichen Schloß und seinen Pfauen. Wer es noch nicht bemerkt hat, wird durch Old Gregory und Lady Susan unmißverständlich darauf hingewiesen. Ironisch schließlich ist der Gebrauch der Literatur, die in diesem Buch eine so große Rolle spielt. Von den Zitaten, die ihm voran- und nachgestellt sind, ist schon die Rede gewesen, eine genauere Betrachtung der Motti wäre wohl eine vergnügliche Mühe wert. Sie bringen die Handlung in doppeltem Sinne in einen Traditionszusammenhang: insofern sie aus dem Bildungsschatz des belesenen Engländers schöpfen, siedeln sie das Ganze bewußt an in der nun zu Ende gegangenen bürgerlich-literarischen Kultur des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Insofern sie halb rätselhaft, halb Neugier anreizend, vorausdeuten auf den Inhalt eines Kapitels, erinnern sie auf witzige Weise daran, daß im Grunde alles schon dagewesen, alles schon gesagt und womöglich besser gesagt worden sei. Wer im 3. Kapitel (er konnte nackt seine Schlacht schlagen) an Restbeständen viktorianischer Erotik Anstoß nehmen sollte, der findet sich schon erleichtert durch die Überschrift Jordan River, sie zeigt an, daß die Grenze zum Gelobten Land überschritten wird. Noch witziger aber ist das Motto, aus zwei Strophen wiederum eines Hochzeitsgedichts von Donne entnommen und keine einfache Aufgabe für den Übersetzer:
The feast with gluttonous delays
Is eaten …
… night ist come; and yet we see
Formalities retarding thee …
A bride, before a »Good-night« could be said,
Should vanish from her clothes into her bed,
As souls from bodies steal, and are not spied.
But now she’s laid; what though she be?
Yet there are more delays, for where is he?
He comes and passeth through sphere after sphere;
First her sheets, then her arms, then anywhere.
Let not this day, then, but this night be thine;
Thy day was but the eve to this, O Valentine.
Es kann, so hieß es in dem berüchtigten Verriß des Romans durch Q. D. Leavis, kaum einen Donne-Leser außer Miss Sayers geben, der dessen Poesie mit Lord Peters Gefühlen in Verbindung bringen möchte. Nichts lag weniger in der Absicht der Autorin; die literarischen Überschriften und Anspielungen sind dem Leser des Romans zugedacht, um ihn gleichsam über die bloße Handlung zu erheben und daran zu erinnern, daß nichts zu ernst genommen werden sollte. In das Zitatenspiel aber, das Lord Peter mit Superintendant Kirk spielt, wird er sich gern hineinziehen lassen, aus Vergnügen am Raten, und finden, bewundernd, wie Kirks Zitierwesen die ironische Zitierkunst der Autorin nochmals ironisiert: Was du brauchst, Sam Kirk, ist die Berührung mit einem Großen Geist, oder so, nach dem Essen.
Derart heiter-menschliche Zwischenspiele haben eine Funktion im Ganzen des Buches. Seine Verfasserin nennt nicht nur ein hohes Maß an Lebensklugheit ihr eigen, sondern auch einen ausgebildeten ästhetischen Sinn. Sie weiß, wie man einen Roman anlegt. Das ist schon deutlich geworden an der Art, mit der sie die Realien zum notwendigen Bestandteil der vorschreitenden Erzählung gemacht hat. Es wird noch deutlicher am Wechsel der »Farben« und Tempi. Erst nachdem sie fast das gesamte Personal eingeführt und eine Fülle von Hinweisen und Daten gegeben hat, die sich Phantasie und Scharfsinn des Lesers aneignen sollten, wird Noakes im 6. Kapitel aufgefunden; und wenn der Fall gelöst und Crutchley entlarvt ist, folgen noch die drei Kapitel des Epithalamion, des Hochzeits-Abgesangs. Dem Leser wird ein angenehmer Wechsel zwischen Vorschreiten und Verweilen, zwischen Ernst und Heiterkeit, zwischen Spannung und
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