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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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machte sich fertig, um wieder ein wenig in den Park zu gehen. Vielleicht würde sie dort Raphael wiedersehen.
    Schon von weitem sah sie jedoch Bess lesend auf einer der Parkbänke sitzen. Sie beschleunigte ihre Schritte und stand kurz darauf vor ihrer neuen Freundin. Bess blickte auf und lächelte.
    „Hallo, Elli “, sagte sie. „Ich dachte schon, ich würde hier heute wieder den ganzen Tag allein verbringen.“
    „Gestern warst du nicht da “, erwiderte Eleanor mit gespielter Entrüstung.
    „Stimmt “, lachte Bess. „Sonntags hat meine Mutter frei und in den Ferien unternehmen wir dann immer etwas in der Umgebung. Wir waren in der Stadt, drüben in Bude, und haben es uns gut gehen lassen.“
    Eleanor lächelte. In der kurzen Zeit, die sie erst hier war, hatte sie schon beinahe vergessen, wie es war, wenn man seine Freizeit genoss.
    „Du siehst gut aus“, meinte Bess. „Du wirkst, als wärst du heute etwas ausgeglichener.“
    Eleanor blickte betreten zu Boden und zwang sich zu einem Lächeln. Bess hatte sie unbeabsichtigt daran erinnert, warum sie hier war. Die Ereignisse der letzten Tage hatten Eleanor beinahe vergessen lassen, dass sie ein Patient in einer Nervenheilanstalt war.
    „Hast du Lust, das nächste Mal mitzukommen, wenn wir unterwegs sind?“, fragte Bess unvermittelt, um Eleanor von ihren trüben Gedanken abzulenken.
    Eleanor war irritiert. „Geht das? Ich wusste nicht, dass ich hier raus kann.“
    „Natürlich geht das“, lachte Bess. „Du bist zwar in der geschlossenen Abteilung, genießt aber einen Sonderstatus, das weiß ich von meiner Mom. Solange du mit jemandem zusammen unterwegs bist, der ein Auge auf dich haben kann, darfst du gehen, wohin du willst.“
    „Dann komme ich gern beim nächsten Mal mit “, antwortete Eleanor entschlossen.
    „Gut “, erwiderte Bess. „Du wirst sehen, dass es anstrengend sein kann, mit meiner Mutter unterwegs zu sein. Aber ich bin ja an deiner Seite und werde sie schon aus den schlimmsten Geschäften heraustreiben.“
    Eleanor und Bess lachten. Für einen kurzen Augenblick schien die Welt wieder in Ordnung zu sein und Eleanor dachte nicht mehr an Raphael und die Merkwürdigkeiten jener Welt, die ihr von einer Droge wie Tetradyxol eröffnet worden waren. Bei Bess zu sein, gab Eleanor ein Gefühl von Normalität und Ruhe und sie genoss es, einen kurzen Moment lang nicht an Engel, Dämonen oder gar ihre weltlichen Probleme denken zu müssen.
    So verging der Nachmittag. Eleanor und Bess schwatzten und lachten. Hin und wieder schlenderten sie durch den Park, beobachteten die Vögel und Insekten, die geschäftig durch die Gegend flogen, oder sahen den Enten zu, die auf dem kleinen Teich ihre Runden zogen.
    Schließlich legte sich die Dämmerung über Stratton Hall und es war an der Zeit für Bess, sich zu verabschieden. Ihre Mutter würde bald Feierabend haben und sie mit nach Hause nehmen. Auch für Eleanor war es nun spät genug, um ins Haus zu gehen, wenn sie noch etwas vom Abendessen abbekommen wollte. So trennten die beiden sich vor der Tür zum Haupthaus und während Bess zum Parkplatz schlenderte, um dort am Auto ihrer Mutter zu warten, betrat Eleanor das Haus. Mit der Dunkelheit des Hauses legte sich auch die Sorge und Furcht erneut auf ihre Seele und Raphaels Worte kehrten wieder in ihr Bewusstsein zurück. Furchteinflößend und bedrückend.
    Sie nahm an diesem Abend am gemeinschaftlichen Abendessen im großen Saal von Stratton Hall teil, doch sie setzte sich allein an einen Tisch und sah sich nicht um. Die Geräuschkulisse des Saales trat in den Hintergrund und Eleanor begann erneut zu grübeln. Sie nahm das Essen kaum wahr und achtete auch nicht auf die Blicke von den anderen Tischen, die immer wieder verstohlen zu ihr hinüberwanderten. Sie schmeckte und roch nichts und sie sprach mit niemandem, bis sich während des Abendessens plötzlich eine Hand auf ihre Schulter legte. Eleanor schrak auf und blickte sich um – hinter ihr stand Raphael.
    Der ganze Saal schien mit einem Mal still geworden. Alle Gespräche erstarben und alle Blicke ruhten auf Eleanor und Nummer Sieben, der noch immer hinter ihr stand und lächelnd auf sie herabsah.
    „Ist hier ein Platz frei?“, fragte er endlich.
    Eleanor strahlte. Dann nickte sie und wies auf den Stuhl, der ihr gegenüber stand. In einer einzigen fließenden Bewegung glitt Raphael auf die andere Seite des Tisches und ließ sich dort nieder. Eleanor stellte amüsiert fest, dass er noch immer das

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