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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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unwirklich vor. Wie ein Alptraum, aus dem sie
hoffentlich jeden Moment erwachen würde. Sie drückte sich
tiefer zwischen die beiden Männer, den toten und den
lebendigen.
Während des Tages und der folgenden Nacht ließ der Sturm
allmählich nach, doch dem mörderischen Eiswind waren sie
nach wie vor schutzlos ausgesetzt. Katie hatte kein Gefühl mehr
in Händen und Füßen. Sie dämmerte vor sich hin, verlor ab und
zu das Bewußtsein. Gelegentlich phantasierte sie. Eigenartige
Gedanken gingen ihr durch den Kopf. So mußte sie zum
Beispiel an ihr letztes Essen denken, ihr Henkersmahl
sozusagen. Dann bildete sie sich ein, sie sei an einem sonnigen
Strand unter wiegenden Palmen und Fritz komme kläffend quer
über den Sand auf sie zugerannt. Sie unterhielt sich mit
Gallagher, als säßen sie beide im Restaurant und stellten gerade
ihr Menü zusammen. Ihr toter Vater erschien ihr in seiner
Kapitänsuniform. Aufrecht stand er im Floß, blickte auf sie
herab und lächelte. Er redete ihr gut zu, sagte ihr, daß sie
überleben werde, sich keine Sorgen zu machen brauche. Daß es
nicht mehr weit bis zum Land sei. Dann war er wieder weg.
»Wie spät ist es?« krächzte sie.
»Meiner Meinung nach müßte es später Nachmittag sein«,
antwortete Gallagher. »Meine Uhr ist kurz nach dem Untergang
der Princess Dou Wan stehengeblieben.«
»Wie lange treiben wir schon dahin?«
»Grob geschätzt etwa achtunddreißig Stunden.«
»Wir nähern uns dem Land«, murmelte sie plötzlich. »Wie
kommst du denn darauf, Liebes?«
»Mein Vater hat's mir gesagt.«
»Aha, wirklich?« Mitleidig lächelte er ihr zu. Mit seinem
frostig weißen Schnurrbart, den schneeverkrusteten
Augenbrauen und den Eiszapfen, die an den unter der Mütze
hervorlugenden Haaren hingen, sah er aus wie ein Ungeheuer
aus den Tiefen des Polarmeeres. Katie fragte sich, wie sie wohl
aussehen mochte - auch wenn sie keinen Schnurrbart vorweisen
konnte. »Siehst du es denn nicht?«
Gallagher, der von der Kälte furchtbar steif war, setzte sich
mühsam auf und suchte den Horizont ab, soweit er etwas
erkennen konnte. Der peitschende Schneeregen nahm ihm die
Sicht, aber er versuchte es dennoch. Dann traute er seinen
Augen kaum. Er meinte, eine mit großen Felsblöcken übersäte
Küste zu erkennen.
Unmittelbar dahinter, keine fünfzig Meter weit weg, wiegten
sich verschneite Bäume im Wind. Und dann entdeckte er etwas
Dunkles zwischen den Bäumen - womöglich eine Hütte.
Gallagher setzte sich auf, zog mit tauben, ungelenken Fingern
seinen linken Stiefel aus und benutzte ihn als Paddel. Nach ein
paar Minuten wurde ihm warm, so daß ihm seine Aufgabe
leichter fiel. »Nur Mut, Liebes. Gleich sind wir an Land.«
Gallagher mußte mit aller Kraft gegen die Strömung rudern,
die parallel zur Küste verlief. Es kam ihm so vor, als paddelte er
durch dicken Sirup. Doch allmählich rückte die Küste näher. Er
meinte die Bäume mit der Hand fassen zu können, aber noch
waren sie gut fünfzig Meter weit weg.
Gerade als Gallagher völlig ausgepumpt und mit seiner Kraft
am Ende war, spürte er, wie das Floß an Felsblöcke stieß, die
unter Wasser lagen. Er warf einen Blick auf Katie. Sie bibberte
vor Kälte. Lange hielt sie nicht mehr durch.
Er schlüpfte mit dem Fuß wieder in den Stiefel. Dann atmete
er einmal tief durch, hoffte, daß er in dem eiskalten Wasser
zumindest stehen konnte, und sprang hinein. Ungefährlich war
das nicht, doch er mußte es riskieren. Gott sei Dank bekam er
festen Fels unter die Stiefelsohlen, ehe ihm das Wasser bis zur
Leiste reichte.
»Katie!« schrie er wie von Sinnen. »Wir haben's geschafft.
Wir sind an Land.«
»Wie schön«, murmelte Katie, die kaum noch wußte, wie ihr
geschah.
Gallagher zog das Floß auf den Strand, der mit glatten Kieseln
und vom Wasser abgeschliffenen Felsen übersät war. Er bot
seine letzten Kräfte auf, und dann brach er einfach zusammen,
blieb reglos auf den kalten, nassen Steinen liegen. Er wußte
nicht, wie lange er dagelegen hatte, doch als er sich endlich
aufraffte, zu dem Rettungsfloß kroch und einen Blick ins Innere
warf, sah er, daß Katies Gesicht blau verfärbt war. Beklommen
zog er sie an sich. Er wußte nicht, ob sie überhaupt noch lebte,
doch dann nahm er den schwachen Hauch wahr, der aus ihrer
Nase drang, und tastete nach dem Puls an ihrem Hals. Ihr sonst
so starkes Herz schlug schwach und langsam. Der Tod war nicht
mehr fern.
Er sah zum Himmel auf. Die dicke graue

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