Höllenknecht
hatte dichtes, dunkles Haar, das ihm bis auf die Schulter reichte. Seine Haut leuchtete imsatten braunen Ton von frischem Zimt; er hatte hagere Züge und einen scharf gezeichneten Mund. Obwohl er frisch rasiert war, schimmerte die Haut um das Kinn blauschwarz.
Seine Augen, dachte Hella, sind wie Schwarzkirschen.
Der Fremde lächelte sie an und schob sich an ihr vorbei, so nahe, dass sie seinen Duft einatmen konnte. Es war ein Geruch, der ihr fremd und vertraut zugleich war. Wonach roch er nur? Hella grübelte. Feiertag, dachte sie, er riecht nach Feiertag. Nach Feiertag und nach Abenteuer. Nach Weihrauch und Sandelholz? Nach Geheimnissen und Geborgenheit.
Sanft, aber bestimmt bahnte der Fremde sich einen Weg durch die Menge. Hella folgte ihm, als würde sie an Fäden gezogen. Gleichzeitig achtete sie darauf, nicht von den Männern am Brunnen gesehen zu werden. Zum einen schickte es sich nicht, einem Mann zu folgen. Aus welchen Gründen auch immer. Mochte sein Duft anziehend sein, eine Frau von Hellas Stand tat so etwas nicht. Und zum Zweiten wollte sie auf gar keinen Fall von ihrem Mann oder einem Stadtknecht gesehen werden. Sie hielt es für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass der Rat beschlossen hatte, alle Criminalia vor ihr und ihrer Mutter Gustelies geheim zu halten, weil Verbrechensermittlungen nun mal Männersache seien. Und das, obwohl schon mehr als ein Bösewicht nur mit Hilfe von Gustelies’ und Hellas Ermittlungsarbeit gefasst worden war. Trotzdem hatte sie Heinz versprechen müssen, sich nicht mehr in seine Angelegenheiten zu mischen. Das fiel ihr schwer. Sehr schwer sogar. Deshalb hatte Hella auch nur versprochen, sich zu bemühen. Nun, das tat sie. Und manchmal gelang es eben besser, ein anderes Mal schlechter.
Sie hörte, wie der Orientale zu ihrem Mann sagte: «Verzeiht meine Einmischung, aber ich bin sicher, dass der Arm nicht an diesem Ort vom Körper getrennt worden ist.»
Als Heinz herumfuhr und den Fremden in Augenschein nahm, verbarg sich Hella hinter dem Rücken eines Hafenarbeiters, der neben ihr stand. Sie stellte sich vor, wie Heinz sie ansehen würde. Er würde den Finger heben und ihr drohen. Vor allen Leuten. Womöglich würde er sie sogar dem Fremden vorstellen. Nein, das wollte Hella verhindern. Um jeden Preis. Sie hätte zu gern gehört, mit welchen Worten ihr Heinz dem Sarazenen die Einmischung in seine Arbeit verbat, aber stehen zu bleiben und zuzuhören wagte sie nicht.
Vorsichtig wich sie nach links aus, bewegte sich immer weiter von der Mitte des Geschehens fort. Schon war sie am Steinernen Haus, bog in die Mörsergasse ab und machte sich auf dem schnellsten Weg hinauf zum Pfarrhaus am Liebfrauenberg.
Pater Nau öffnete und betrachtete seine Nichte, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen.
«Lass mich rein, Onkel Bernhard, schau nicht so.»
«Deine Mutter ist nicht da. Schon wieder einmal nicht. Ich möchte wissen, wo die Frau sich immer herumtreibt. Aber was soll’s? Was nützt alles Klagen und Lamentieren? Die Erde ist nun mal ein Jammertal und das Leben ein Graus.»
«Ich weiß, Onkel Bernhard», nickte Hella. «Ist Mutter auf dem Markt?»
Der Pastor hob die Schultern. «Was weiß ich? Mir sagt doch nie jemand etwas! Jeden Tag was Neues, nur nichts Gutes.»
Hella verbiss sich ein Kichern und erwiderte: «Lerne zu leiden, ohne zu klagen.»
«Komm rein, du freches Gör», sagte Pater Nau und drohte Hella mit dem Finger. «Und untersteh dich, meine Sprüche gegen mich zu verwenden.»
Er ging voran und führte Hella in sein Arbeitszimmer. «Bruder Göck ist bei mir», teilte er ihr mit. «Wir haben einen Disput über den Teufel. Du darfst danebensitzen und zuhören, bis deine Mutter sich wieder an den Platz erinnert, auf den Gott sie gestellt hat. Vielleicht lernst du ja sogar etwas dabei. Also, Bruder, wo waren wir?»
Bruder Göck, in das schwarze Gewand der Antoniter gehüllt, das ein blaues Tau auf dem Rücken zierte, hob einen Finger und erwiderte: «Du hast die Frage nach dem Teufel gestellt.»
«Ach ja. Genaugenommen fragte ich dich, was geschieht, wenn der Teufel alle seine Sünden bereut.»
«Wie bitte?» Hella glaubte, sich verhört zu haben, aber Pater Nau wiederholte ungerührt seine Frage.
Bruder Göck versteckte die linke Hand im rechten, die rechte Hand im linken Ärmel seiner Kutte und schnaubte verächtlich.
«Du willst die Antwort auf diese Frage gar nicht wissen, mein Lieber», behauptete er. «Du willst einfach nur beweisen,
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