Höllenzeit
uns gelingt, dem Bösen die Gebote aufzuzwingen, dann kann es das Böse selbst nicht mehr geben.«
Der Mönch runzelte die Stirn. Im Gegensatz zu Bentini war er skeptischer. »Es gibt aber keine Garantie, wie ich mir vorstellen kann.«
»Das nicht. Es ist ein Versuch. Wir haben alles genau durchdacht, sofern dies möglich war, und sind eben zu diesem Entschluß gelangt. Bis dahin jedoch ist es noch ein weiter Weg, reich an Dornen und Steinen. Keiner von uns weiß, ob wir dieses Ziel überhaupt jemals erreichen werden.«
»Das denke ich auch. Aber Sie bewegen sich darauf zu.«
»Wir.«
»Natürlich, Monsignore. Ich habe meine neue Position noch immer nicht umrissen. Da wäre noch etwas anderes. Sie haben von Steinen und Dornen gesprochen, die den Weg pflastern. Kann ich davon ausgehen, daß Sie damit gleichzeitig die Höllenzeit gemeint haben?«
»Nein, nicht direkt. Die Höllenzeit ist angebrochen, da brauchen Sie nur einen Blick auf die Welt zu werfen. Die Hölle ist mittlerweile überall. Sie schickt selbst bis in unsere Nähe ihre Schatten. Sie hat sich für den Angriff entschlossen, und ich bin der Meinung, daß sie genau weiß, was wir vorhaben.«
»Sie meinen das große Ziel?«
»So ist es.«
»Welche Gegner stehen uns im Weg?«
»Alles, was die Hölle aufbringen kann. Ich denke dabei nicht nur an die Kreaturen der Finsternis, sondern auch an AEBA, die Horror-Reiter, die ja Ihre Spezialität sind…«
»So schlimm ist es nicht. John Sinclair hat da mehr Erfahrung.«
Bentini lächelte.
»Ich wußte, daß sie seinen Namen erwähnen würden, damit haben wir schon wieder die Verbindung, aber darauf möchte ich später zurückkommen. Wie gesagt, Luzifer und seine Schergen versuchen es mit allen Tricks. Natürlich versuchen auch wir, an unsere Helfer zu denken, nicht allein an Menschen, denn selbst die Engel sind durch die Aktivitäten der Hölle aufgeschreckt worden, doch dies ist ebenfalls nicht unser Thema. Wir stehen erst am Beginn und müssen uns heute auf die Infiltration beschränken.«
»Sie sprechen vom Bösen.«
»Natürlich.« Bentini erhob sich. Dabei schaute er über den Kopf des Fathers hinweg, und Ignatius konnte sich vorstellen, daß sein Gegenüber den Vorhang anschaute. Auch er drehte sich auf seinem Stuhl, aber am Vorhang hatte sich nichts verändert.
Eine Frage brannte ihm auf der Zunge, und er stellte sie. »Hat diese Abtrennung etwas mit dem zu tun, was wir besprachen?«
»Nicht der Vorhang, aber das, was sich hinter ihm befindet. Es wird gewissermaßen für Sie der erste Beweis sein, Father. Wenn Sie ihn sehen, werden Sie erkennen, daß Sie den richtigen Weg eingeschlagen haben, denn so etwas darf nicht wieder vorkommen.«
Bentini hatte es tatsächlich geschafft, die Spannung bis zum Siedepunkt steigen zu lassen. Selbst ein Zittern seiner Finger konnte er nicht mehr zurückhalten, deshalb ballte er die Hände zu Fäusten und folgte dem Monsignore, der bereits auf den Vorhang zuging, für einen Moment stehenblieb, mit den Fingern nach einer Falte faßte und ihn dann mit einer langsamen Bewegung aufzog.
Die Ringe schleiften über die Deckenstange, eine Lücke entstand, vergrößerte sich langsam, und Ignatius war enttäuscht, weil er nichts erkennen konnte.
Nur einen schwachen Umriß, wahrscheinlich ein Bett, mit einem kleinen Tisch daneben. Diesem Tisch beugte sich der Monsignore entgegen. Er streckte auch seine Hand aus, und der Mönch hörte ein leises Klick, bevor sich die Kugel einer Lampe erhellte und ihr Licht so verteilte, daß es auf das Oberteil eines schlichten Metallbetts fiel, in dem eine Person lag. Der Mönch konnte nicht erkennen, ob sich der Körper eines Mannes oder einer Frau unter der hellen Decke abzeichnete, auch das Gesicht war nicht sichtbar, denn die Decke war so weit hochgezogen, daß es von ihr verdeckt wurde.
Der Monsignore hatte seinen Arm bereits ausgestreckt, aber noch nicht zugegriffen. Er wartete ab, drehte den Kopf und schaute den Mönch an.
»Was ich Ihnen gleich zeigen werde, ist der erste Beweis.«
Ignatius nickte nur. Er hatte einen ungewöhnlichen Geruch wahrgenommen, der unsichtbar über der Gestalt schwebte. Einordnen konnte er ihn nicht direkt, im entferntesten jedoch erinnerte er ihn an Brandgeruch. An Feuer, das jedoch kein Holz oder Kohle zerstört hatte, sondern Fleisch.
»Sind Sie bereit?«
Der Mönch nickte.
»Gut.« Bentini griff noch fester zu. Er wirkte wie ein Pathologe, der im Schauhaus stand und einem Polizisten eine
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