Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 8
ihren Mund, wenn es ihr auch noch so schwer fiel. Einerseits wollte sie sich gegenüber James keine unnötige Blöße geben, andererseits sollte die gereizte Stimmung zwischen den beiden Männern nicht noch stärker aufgeheizt werden.
Zum Glück rettete Phineas Fletcher die Situation. „Ich habe einen Bärenhunger!“, verkündete der Erfinder. „Ist das ein Gasthaus, aus dem Sie gerade gekommen sind, Miss Fenton? Die Düfte, die von dort nach draußen dringen, sind einfach zu verführerisch.“
Die Aussicht auf eine Mahlzeit brachte auch den Gurkha dazu, den Fahrersitz zu verlassen. Der Uniformierte wandte sich an die Kinder und sprach einige Sätze, wobei seine Stimme sehr streng klang.
Kate wusste, dass die aus Nepal stammenden Gurkhas eine Elitetruppe der britischen Armee waren. Wegen ihrer Zähigkeit und ihrer Todesverachtung wurden sie von ihren Gegnern gefürchtet. Und auch die Dorfkinder schienen mächtigen Respekt vor dem Soldaten zu haben. Jedenfalls wirkten sie sehr eingeschüchtert.
„Wir können getrost hineingehen“, sagte der Gurkha. „Niemand wird es wagen, das Dampf-Automobil auch nur mit dem kleinen Finger zu berühren.“
Kate war nur froh, dass die Auseinandersetzung zwischen James und Devran für den Moment abgebogen war. Alle gingen in den Gasthof. Dabei gelang es Kates Verlobtem, sie für einen Moment zur Seite zu nehmen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ James’ Stimme klang besorgt. Kate ahnte, wie groß seine Sorge um sie gewesen sein musste. Doch dieser Gedanke trug auch nicht zu ihrem Wohlbefinden bei. Während James verzweifelt nach ihr gesucht hatte, war es ihr in Devrans Gegenwart ziemlich gut ergangen. Die Erinnerung an die romantischen Momente in den Armen des jungen Inders trieb ihr die Schamröte ins Gesicht, was für eine Frau wie Kate sehr ungewöhnlich war. Normalerweise stand sie zu ihren Gefühlen. Aber sie hatte sich noch niemals zuvor in ihrem Leben zwischen zwei Männern so zerrissen gefühlt. Gewiss, Roger Leclerc hätte ihr ebenfalls gefährlich werden können. Doch der Bohemien hatte viel zu schnell sein wahres Gesicht gezeigt, bevor Kate ihr Herz an ihn zu verlieren drohte.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass James sie immer noch forschend anschaute. Und das lag natürlich daran, dass sie ihm bisher eine Antwort schuldig geblieben war. „In Ordnung? Ja, es geht mir gut. Aber wir müssen unbedingt etwas unternehmen wegen Makhras. Darüber sollten wir gleich mit den anderen sprechen.“
„Und was ist mit diesem Inder? Ist er dir … zu nahe getreten?“
„Devran hat nichts getan, wofür er sich schämen müsste“, brachte Kate hervor. Dann wandte sie sich schnell ab. Eigentlich wollte sie James beichten, was zwischen ihr und Devran vorgefallen war. Aber hier und jetzt war weder der richtige Ort noch der passende Zeitpunkt. Außerdem mussten ihre privaten Probleme warten, denn es gab noch ganz andere Aufgaben zu lösen.
Doch James schien sich auf Kates Verhalten seinen eigenen Reim zu machen. Jedenfalls wirkte er nach wie vor gereizt, auch, wenn er seine Verstimmung zu verbergen versuchte. Aber Kate kannte ihn inzwischen gut genug. Sie war schließlich mit ihm verlobt.
Der Wirt hatte inzwischen den neu eingetroffenen Gästen ebenfalls das einzige Gericht aufgetischt, das es in seinem bescheidenen Dorflokal zu geben schien. Alle saßen einträchtig an einer langen Tafel. Kate und Devran berichteten von dem Roboter-Tiger und den finsteren Plänen, die Makhras mit Eileen hatte. James widmete sich zunächst nur seinem Essen. Aber nun blickte er kopfschüttelnd auf.
„Ein Roboter-Tiger? So einen Unsinn habe ich noch niemals gehört.“
„Ich habe diese Maschine mit eigenen Augen gesehen“, sagte Devran scharf. „Nennen Sie mich einen Lügner?“
Für Kate war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich ihre beiden Verehrer gegenseitig an die Gurgel gingen. Doch erneut war es der Erfinder, der vermittelnd eingriff.
„Wir alle haben doch die Zeitungsberichte über die geheimnisvolle Bestie gelesen“, betonte Phineas Fletcher. „Kein Tiger aus Fleisch und Blut könnte solche Verletzungen verursachen, und ein Raubtier wäre wohl auch nicht gegen großkalibrige Gewehrkugeln immun. Falls es sich also nicht um einen Dämon handelt, kann dieses Ungetüm doch nur eine Maschine sein. Oder ist einer der Herren anderer Meinung?“
„Das wäre zumindest eine nachvollziehbare Erklärung“, sagte Bone-Carruthers. „Ich habe in meiner langen Laufbahn als
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