Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 8
Feuerzeug-Flamme wurde zum Leben erweckt. Erleichtert hielt Kate das Leuchtmittel hoch. Der Lichtkreis reichte nur ein oder zwei Yards weit. Und nun erblickte sie auch Devran.
Der Inder lag eine halbe Mannslänge von ihr entfernt. Seine Augen waren geschlossen, doch sein Brustkorb hob und senkte sich mehr oder weniger regelmäßig. An der Stirn hatte er eine Platzwunde, aus der noch etwas Blut sickerte. Doch Devran lebte, und das war für den Moment die Hauptsache!
Kate kauerte sich neben ihn. Sie beugte sich über seinen Oberkörper und stieß ihn sanft an. „Devran! Komm’ zu dir, bitte. Wir können nicht hier unten bleiben.“
Doch der Bewusstlose reagierte nicht. Offenbar war er nicht sehr tief gestürzt, aber mit dem Kopf gegen den Felsen geschlagen. Kate hob das Feuerzeug noch weiter und blickte zu dem steinernen Abhang, den sie soeben hinab geklettert war. Ob es möglich wäre, Devran dort hinauf zu schaffen? Nein, das war völlig unmöglich. Kate konnte ihre Kräfte gut einschätzen. Sie war gewiss stärker als die meisten jungen Frauen in ihrem Alter. Vor allem die vornehmen Ladys, die nie einen schwereren Gegenstand als einen Stickrahmen bewegen mussten, hätten von Kates Muskeln nur träumen können. Aber trotzdem – Devran war einen Kopf größer und gewiss auch schwerer als sie selbst. Es war völlig unmöglich, ihn auch nur von der Stelle zu bewegen.
Devran musste wach werden, sonst konnte Kate ihn nicht mitnehmen. Und wenn sie ihn nun zurückließ und Hilfe holte? Einen Moment lang dachte sie daran, verwarf den Plan aber sofort wieder. Woher sollte sie wissen, wo genau sich das Dorf befand? Sie brauchte Devran, um dorthin zu finden. Und wenn sie ihn seinem Schicksal überließ, würde er vielleicht sogar sterben.
Und das nur, weil er sie zuvor so selbstlos aus Makhras’ Fängen gerettet hatte.
Kate fühlte sich, als ob ein Backstein quer in ihrer Kehle sitzen würde. Sie befand sich in einer seltsamen Stimmung. Kate war allein mit Devran tief unten in einer verlassenen Höhle. In diesem Moment gab es für sie nur noch einen Menschen, nämlich diesen Mann. Alle anderen Leute, die sie kannte, kamen Kate jetzt so vor wie unwirkliche Schemen. David Benson, Inspektor Williams, Phineas Fletcher, Colonel Lucius Hempsworth, Edward Bone-Carruthers – ja, und sogar ihre Freundin Eileen Mulligan und ihr Verlobter James Barwick.
Für Kate hing jetzt alles davon ab, dass sie Devran aus der Ohnmacht aufwecken konnte. Alles andere wurde für sie zweitrangig. Mit der linken Hand hielt sie das Feuerzeug hoch, und mit ihrer rechten Hand strich sie sanft über sein Haar. Devran hatte bei dem Sturz seine Kappe verloren. Kate ließ seine schweren schwarzen Locken durch ihre Finger gleiten. Sie selbst benötigte eine Brennschere, um ihre langen Korkenzieherlocken jeden Morgen in Fasson zu bringen. Kate war an die exakt gescheitelten und straff zurückgekämmten Frisuren der britischen Gentlemen gewöhnt, die ihr Haar mit viel Pomade und Haaröl in die passende Form brachten. Doch Devran wusch seinen Kopf offenbar nur mit einer Seife, die herrlich nach Sandelholz duftete. Unwillkürlich kam Kate mit ihrem Gesicht näher an den Kopf des Ohnmächtigen.
Und dann schmiegte sie ihre Wange an die seine. Kate tat es, ohne nachzudenken. Es fühlte sich in diesem Moment einfach nur gut und richtig an. Devrans Kinn war stopplig, obwohl er sich am Morgen offenbar rasiert hatte. Aber dunkelhaarige Männer hatten nachmittags oft schon einen Bartschatten im Gesicht, wie Kate wusste. Auch James – nein, sie wollte jetzt nicht an ihren Verlobten denken!
Kate überwand ihre eigenen Skrupel. Sie redete sich ein, dass sie Devran einfach nur aus seiner Bewusstlosigkeit aufwecken wollte. Aber das war eine Lüge, mit der sie sich selbst etwas vormachte. In diesem Moment hörte Kate einfach nur auf ihr Herz. Nun drückte sie sich mit ihrem ganzen Oberkörper an den auf dem Rücken liegenden Mann. Seine harten Schultern fühlten sich gut an, und Kates Atem ging immer schneller. Sanft rieb sie ihr Gesicht weiterhin an seinem. Der süße Reiz einer verbotenen Frucht war einfach unwiderstehlich.
Aus nächste Nähe sah Kate, wie Devrans Nasenflügel leicht flatterten. Er sog die feuchte Höhlenluft in seine Lungen. Der junge Inder hatte Wimpern, die für einen Mann recht lang und hübsch geschwungen waren, wie Kate fand. Und dann öffnete er plötzlich seine Augenlider!
Ein leises Stöhnen drang aus seinem Mund. Kate war in diesem
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