Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 8
edelsteinbesetzten Turban auf dem Kopf vor, wie er im Nacken eines Kriegselefanten in die Schlacht preschte …
Unwillkürlich musste sie über sich selbst grinsen und schüttelte den Kopf. Sie war nur froh, dass Devran ihre Gedanken nicht lesen konnte. Oder gehörte diese Fähigkeit auch zu seinem magischen Repertoire?
Nein, denn er deutete ihre Geste offenbar falsch.
„Ich kann verstehen, wenn du nicht mehr laufen kannst, Kate. Ich werde dich tragen, wenn du es möchtest. Hinter den beiden Baumriesen dort vorn befindet sich schon der Dorfrand.“
„Danke, aber ich kann noch gehen.“
Kates Fußsohlen brannten von dem langen Fußmarsch. Und obwohl sie sich nach Devrans Nähe sehnte, wollte sie ihm auf keinen Fall schon wieder so nahe kommen. Sie konnte ihre Reaktion darauf nicht einschätzen und wollte kein Risiko eingehen.
Kate konnte für nichts garantieren, wenn sie wieder Devrans Hände auf ihrem Körper spüren würde. In ihrer Fantasie hob er sie bereits auf seine sehnigen Arme. Es musste wunderbar sein, von ihm gehalten zu werden. Kate wollte ihren Kopf an seine Brust legen, sein Herz schlagen hören. Und sich ihm hingeben?
Kate machte das feucht-schwüle Wetter und die überstandenen Abenteuer für ihre Gelüste verantwortlich. Verflixt, was war denn nur los mit ihr? Kate lernte bei ihrer Arbeit als Dampfkutter-Pilotin oft aufregende Männer kennen, die teilweise auch ungeniert mit ihr flirteten. Und doch hatte sie bisher keine Schwierigkeiten damit gehabt, ihrem James treu zu bleiben.
Wirklich, du Heuchlerin? Diese Frage stellte Kate sich innerlich selbst. Sie führte sich vor Augen, dass sie Roger Leclerc in Paris mit einem Kuss geködert hatte, um von ihm Informationen zu bekommen. Sie hatte diesen dann doch verweigert, aber trotzdem gehörte die Episode mit dem charmanten Franzosen nicht zu den Dingen, an die Kate sich besonders gern erinnerte.
Stattdessen beschleunigte sie ihre Schritte. In dem Dorf waren gewiss Menschen, die sie von Devran ablenken würden. Die Zweisamkeit mit dem jungen Inder tat ihr nicht gut, dadurch kam sie nur auf dumme Gedanken. Und wirklich erreichten sie schon bald die ersten Hütten, aus denen die kleine Ansiedlung bestand. Im Handumdrehen wurden sie von einer Schar barfüßiger Kinder umringt, die lachend und schreiend vor allem Kate belagerten. Einige besonders Mutige wagten es sogar, ihre bloßen Unterarme zu berühren.
„Eine weiße Frau mit roten Haaren hat in dieser Gegend absoluten Seltenheitswert“, erklärte Devran. „Deshalb ist diese Rasselbande völlig aus dem Häuschen.“
Kate nickte lächelnd. Es machte ihr überhaupt nichts aus, von einem Dutzend wilder Kinder umringt zu sein. Im Gegenteil, die Ablenkung war ihr nur allzu willkommen. Je weniger Zeit sie mit Devran allein verbrachte, desto geringer war die ständige Versuchung durch diesen schönen Mann, der sie so heiß begehrte.
Devran rief etwas in einer einheimischen Sprache. Außerdem warf er einem der größeren Jungen eine Münze zu. Daraufhin nahm das Kind Devran bei der Hand und lotste die beiden Fremden zu einem steinernen Gebäude inmitten des Dorfes. Dort stand neben einigen Hindi-Schriftzeichen ein Schild in englischer Sprache: POLICE STATION.
Inzwischen hatten sich noch weitere Schaulustige eingefunden, die offenbar für die unerwartete Abwechslung in ihrem Dorfalltag dankbar waren. Jedenfalls waren Kate und Devran schon bald von einer ständig anwachsenden Menschenmenge aus Kindern und Erwachsenen umgeben. Einige der Männer und Frauen waren hochbetagt und konnten kaum noch gerade gehen, schauten die Engländerin aber neugierig an. Kate bemerkte sofort, dass es in dem Dorf keine einzige moderne Gerätschaft gab. Die Einheimischen waren offenbar zu arm, um sich einen Haushaltsroboter leisten zu können – genau wie die meisten Engländer. Diese Inder bestellten gewiss ihre Felder genauso, wie es ihre Vorfahren seit vielen tausend Jahren getan hatten.
Was die Dörfler wohl tun würden, wenn Kate am Steuerhebel eines Dampfkutters über ihre Köpfe hinweg flöge?
In Bombay hatte Kate noch das Gefühl gehabt, mitten im 19. Jahrhundert zu leben. Aber hier in diesem verschlafenen Nest begriff sie erst so richtig, warum ein Aufwiegler wie Makhras so viel Zulauf bekam.
Natürlich war auch den Polizisten die Unruhe auf den staubigen Dorfstraßen nicht entgangen. Ein bulliger schwarzbärtiger Uniformierter kam aus der Wache. Er trug eine Kaki-Uniform nach englischem Schnitt, dazu
Weitere Kostenlose Bücher