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Holunderliebe

Holunderliebe

Titel: Holunderliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Tempel
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fühlen.«
    Mit einem Lächeln deutete ich auf seinen Garten. »Eigentlich würde ich lieber noch ein bisschen spazieren gehen. Bei dir im Garten. Oder am See entlang.«
    »Gerne, ich komme mit.«
    Schweigend gingen wir zum See hinunter, am Jachthafen vorbei und in Richtung der Bucht, in der Thegan immer geschwommen war. Zumindest musste das irgendwo hier gewesen sein – auch wenn die Gegend heute natürlich anders aussah.
    »Was war das für eine Geschichte mit deinen Träumen von diesem Adeligen?«, wollte Simon plötzlich wissen, so als könnte er meine Gedanken lesen.
    Ich zögerte nur einen winzigen Augenblick, dann erzählte ich ihm von meinen merkwürdigen Träumen, die mich hier auf der Insel heimgesucht hatten. Aus irgendeinem Grund schien ich die Geschichte vom Ambrosiakraut und dem Beginn der Kräuterfamilie Linde hier auf der Reichenau miterlebt zu haben. Als ich geendet hatte, sah Simon eine Zeit lang sinnend auf das Wasser.
    »Der Anfang und das Ende der Ambrosia hier auf der Insel. Du kennst jetzt also alle Einzelheiten. Hast du irgendeine Idee, warum ausgerechnet du von diesen Träumen heimgesucht wirst?« Er rieb sich mit der Hand über die Stirn, eine Geste, die mir inzwischen fast schon vertraut war. Täuschte mich meine Erinnerung, oder hatte Thegan das auch gemacht? Die beiden Männer verschmolzen in meinem Kopf zu einer Einheit.
    Dann zuckte ich meine Schultern. »Ich denke schon. Dieses Gartengedicht von Walahfrid, über das ich für die Uni schreiben muss – die Sache ist in Wirklichkeit ein bisschen komplizierter.« Und dann erfuhr Simon auch die Geschichte von der alten Handschrift, auf die die Buchbinderin gestoßen war. Von meinem Ehrgeiz, durch meine eigene Forschung in den Augen des Professors wieder zu einer akzeptablen Studentin zu werden, der man sogar vergab, dass sie ein Buch aus der Bücherei hatte mitgehen lassen.
    Simon sah mich mit einem Lächeln in den Augenwinkeln an. »Sieht so aus, als würde an der Uni wirklich Ärger auf dich warten, oder?«
    »Wahrscheinlich schon, aber inzwischen ist es mir egal. Ich gehe nicht mehr auf die Uni zurück.«
    Ein überraschter Blick von der Seite. »Nicht?«
    »Nein. Mir macht die Arbeit mit den Büchern nur halb so viel Spaß wie die Arbeit in meinem Garten. Also sollte ich sehen, dass ich daraus etwas mache.« Ich nickte, als müsste ich mir selbst noch einmal Mut machen. »Diese Handschrift bringe ich nächste Woche zurück zu meinem Professor. Mal sehen, was er sich als Strafe ausdenkt – aber selbst einen Rauswurf aus der Uni würde ich nicht mehr als Problem ansehen … Es ist nur schade, dass ich damit keinen Grund mehr habe, in Münster zu wohnen. Meinen Garten werden meine Mitbewohner wohl in kürzester Zeit wieder in eine wilde Wiese verwandeln.«
    »Hast du schon eine Idee, wo du dann leben willst?« Wieder das Lächeln in seinen Augenwinkeln. »Denn wenn du keine hast, dann könnte ich mit einer dienen.«
    Ich sah ihn fragend an. »Ja?«
    »Bleib einfach hier. Zumindest so lange, bis du eine bessere Idee hast. Wir arbeiten gemeinsam in meinem Kräutergarten, machen mehr aus dem kleinen Café …« Er zögerte und sah mich mit einem schiefen Lächeln an. »Klingt das nicht nach einer guten Idee? Wenn du merkst, dass du hier doch nicht das Leben führen kannst, das du dir vorstellst, dann kannst du wieder gehen.«
    »Und wenn es mir gefällt?« Ich sah ihn fragend an.
    Simon beugte sich vor und gab mir vorsichtig einen Kuss auf die Wange. »Wenn es dir gefällt, dann sehen wir weiter. Wer kann schon in die Zukunft blicken? Schlimm genug, dass du in die Vergangenheit sehen kannst.«
    Langsam nickte ich. »So wollen wir das machen. Ich sollte meine Eltern anrufen. Also meinen Onkel und meine Tante. Und die Buchbinderin auch. Aber nicht jetzt.«
    Und damit beugte ich mich zu ihm hinüber und gab ihm ebenfalls einen Kuss. Vielleicht war das hier ja wirklich der Anfang von etwas Großem.
    Am späten Nachmittag dieses Tages gingen wir noch einmal auf den Friedhof. Während ich einen kleinen Strauß Frühlingsblumen auf das Grab meiner Eltern legte, bemerkte ich eine Veränderung am Holunderbusch: In dem dürren Gehölz waren plötzlich zwei oder drei zarte Blätter zu sehen.
    Die Legende sagt, dass ein Holunderbusch wieder zu neuem Leben erwacht, wenn der Tote, der darunterliegt, seinen Frieden gefunden hat. Ich deutete das neue Leben des Strauchs als die Zustimmung meiner Eltern zu meiner Entscheidung, auf der Reichenau zu

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