Holzhammer 02 - Teufelshorn
insbesondere die seiner lieben Frau Marie, die mit der katholischen Frauengruppe irgendwo Wohltätigkeit verbreitete. Sie würde erst am Nachmittag zurück sein, bis dahin vollkommene Ruhe herrschen. Später erwarteten sie Sohn Andi und Tochter Heidrun zu Kaffee und Kuchen. Beide waren schon erwachsen, immerhin zählte Holzhammer inzwischen siebenundvierzig Lenze. Familie war ja ganz wunderbar, aber aus diesen ruhigen Momenten schöpfte Franz Holzhammer Kraft für das Zusammensein mit den Liebsten. Und für die Arbeit.
Die Hütte, die er im letzten Jahr mit Andi zusammen gebaut hatte, war sein Ein und Alles. Die Nachbarn und auch seine Frau sagten Saufhütte dazu, aber für ihn war die Holzkonstruktion einfach ein Ort des Friedens. Nur die Sitzgelegenheit ließ noch zu wünschen übrig. Der Gartenstuhl, den er von der Terrasse vor dem Wohnzimmer entführt hatte, war etwas zu hoch für seine 1,65 Meter, um wirklich bequem zu sein. Die Sitzfläche hingegen war zu schmal. Deshalb hatte er vor einigen Tagen eine bequeme Saunaliege im Internet bestellt. Aber die war noch nicht da.
Holzhammer hörte ein Brummen, und dann flog auch schon der rote Hubschrauber über das friedliche Gartenhüttenidyll hinweg. «Da ist etwas passiert», sagte er zu seinem Weißbier. Mehr Gedanken machte er sich nicht, schließlich flog der Hubschrauber in der Hauptsaison fast täglich. Außerdem beanspruchte das Schachspiel auf seinem Computer seine ganze Aufmerksamkeit. Er duellierte sich mit einem recht versierten Ami, der soeben seine Dame bedrohte. Das Spiel zog sich schon ziemlich lange hin, auf beiden Seiten wurde erbittert gekämpft – doch dann war Holzhammer schachmatt. Das machte ihm nichts aus, er spielte ja, um seine grauen Zellen auf Trab zu halten – nicht um des Sieges willen. Fair gratulierte er dem amerikanischen Rentner im sonnigen Florida. Englisch war auch kein Problem, schließlich hatten die Amis bis vor ein paar Jahren auf dem Obersalzberg gesessen. Und im Hotel Berchtesgadener Hof, das sie in General Walker umgetauft hatten. Jeder ältere Berchtesgadener konnte sich daher auf Englisch zumindest halbwegs verständigen. Theoretisch. Denn nicht jeder machte freiwillig davon Gebrauch.
Holzhammer betrachtete den Garten und beschloss, vor der Rückkehr beziehungsweise Ankunft seiner Familie noch schnell das Gras zu mähen. Bei dem Gedanken blitzten seine Augen, denn seit ein paar Wochen machte ihm das einen Riesenspaß: Der Rasen war neuerdings perfekt gepflegt, was allein sein Verdienst war – nur eben auf eine etwas andere Weise, als seine Frau sich das wohl ausmalte.
Ein Technikfreak wie er quälte sich heutzutage nicht mehr stundenlang mit einer laut ratternden Maschine kreuz und quer über den Rasen, um die Halme zu kürzen. An einem ruhigen dienstfreien Vormittag, während Marie ihren geliebten Dienst im Supermarkt tat – mit vielen netten Gesprächen an der Kasse –, hatte er einen feinen Draht rund um den Rasen verlegt und sorgfältig mit einigen Zentimetern Erde bedeckt. Und dann hatte er den kleinen runden Mähroboter zum ersten Mal laufen lassen. Das Ding funktionierte prima, man durfte das Gras nur nicht zu hoch werden lassen. Und es brauchte auch ein bisschen länger, da es nicht so systematisch vorging wie sein menschlicher Besitzer, sondern manchmal ziemlich depperte Routen einschlug.
Daher beaufsichtigte Holzhammer seinen kleinen Freund bei einem Weißbier und zeigte ihm von Zeit zu Zeit geduldig die Ecken, die er noch nicht gefunden hatte. Und bevor seine umtriebige Frau zurückkehrte, sammelte Holzhammer sein Helferlein wieder ein, stöpselte es sorgsam an die Ladestation in der Hütte und schob einen großen Korb mit Holzscheiten davor. Gut, es war ein bisschen kindisch, und irgendwann würde er Marie wohl einweihen müssen. Aber im Moment bereitete es ihm noch allzu sehr das stille Vergnügen, sich auf diese Weise ein Alibi zu verschaffen. Wenn Marie fragte, was er denn so gemacht habe, während sie am Wochenende in Angelegenheiten wichtiger Wohltätigkeit unterwegs war, dann brauchte er nur auf das frisch gemähte Gras zu zeigen.
Holzhammer holte also seinen kleinen Freund aus der Hütte und setzte ihn liebevoll auf den Rasen. Doch er kam nicht dazu, ihn loslaufen zu lassen, denn das Handy klingelte: Dr. Klaus Fischer. Sein ungeliebter Chef. Damit hatte sich der ruhige Samstag definitiv erledigt.
«Ich weiß wirklich nicht, warum wir heute unbedingt auf den Grünstein müssen», maulte
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