Honky Tonk Pirates - Zurück in der Hölle - Band 3
nachsteigen, da hielt ihn der andere zurück.
»Warte«, flüsterte er und schaute sich um.
Sein Blick schweifte durch die lichtlose Gasse. Er drang in jeden Winkel und schließlich entdeckte er, was er suchte.
Ein blasses, fast unsichtbares Leuchten in einem der Häuser. Es kam aus einem dunklen Keller, doch als der Soldat in ihn hinabstieg, sah er die hölzernen Bohlen, die den Boden bedeckten, und den kleinen Spalt darin. Er war höchstens so lang wie ein kleiner Finger, aber als er den Staub und die Kiesel entfernte, strahlte Feuerschein aus ihm heraus.
Der Zombiesoldat senkte den Kopf. Er spähte durch die winzige Öffnung und sagte leise zu seinem Kumpan: »Hol den Baron und die anderen Männer. Wir haben ihr Nest. Dort unten ist der König von Frankreich.«
Dann spähte er wieder durch den Spalt und entdeckte den Zwerg und den Jungen, diesen kleinen dunkelhäutigen Jungen, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte und der ihm und Talleyrand trotzdem schon so viele Niederlagen beigebracht hatte.
Aber dieses Mal ahnten Jo und Rachel nichts vom Unheil, das sich über ihnen zusammenbraute. Sie liefen durch die Katakomben, die den Roten Korsaren jetzt schon seit über einem Jahr als Zuflucht dienten und ließen sich von der Freude der Kinder anstecken, die sie begrüßten.
»Hallo, Jo, hallo, Rachel!«, riefen die Kleinen, von denen manche vielleicht erst drei Jahre alt waren, und sprangen den Ankömmlingen auf den Arm.
»Los! Kommt! Wir warten schon alle! Wir warten und tanzen, denn heute ist der Tag, an dem die Welt sich andersrum dreht.«
Sie deuteten auf die anderen Kinder. Die spielten auf selbst gebauten Gitarren, Trommeln und Geigen und tanzten mit ihnen um die zahlreichen Lagerfeuer herum.
»Heute dreht sich die Welt.
Heute wird alles anders.
Ab heute kann jeder jedem vertrauen.«
Die Kinder scharten sich um Rachel und Jo und folgten den beiden durch einen Gang in eine unterirdische Halle. Dort wartete Sarah. Sie stand auf einem Leiterwagen und beobachtete mit feierlicher Miene, wie sich die Kinder von allen Seiten aus den Gängen drängten. Es waren Hunderte oder noch mehr und sie sangen und tanzten und machten Musik.
»Heute schließt sich die Hölle.
Heute wird alles anders,
Heute werden wir selbst dem Teufel verzeihen.«
Sarah wartete geduldig, bis alle Kinder in der Halle waren. Erst dann schaute sie zu den Gefangenen, die gefesselt neben ihr auf dem Wagen knieten. Rechts Ludwig, der Fünfzehnte, der echte König von Frankreich, und links der bibbernde Marquis, der mit seiner verrutschten Perücke noch dümmer aussah, als er war.
»Heute bricht der Horizont.
Heute reißen wir ihn ein.
Heute werden unsere Feinde wieder unsere Freunde sein«,
sangen die Kinder und Sarah grinste dem König von Frankreich in sein unbewegliches Gesicht. »Sind das nicht gute Nachrichten«, fragte sie ernst, hob die Hände, und als alle still waren, rief sie mit lauter und deutlicher Stimme: »Unser Plan funktioniert. Moses und Will sind sicher im Schloss. Talleyrand sitzt im Westturm, und der König von Frankreich unterschreibt die Erklärung, die die Welt endlich andersrum macht.«
Sie griff in die Tasche ihrer Kutte, zog eine Pergamentrolle heraus, entrollte sie feierlich und begann dann zu lesen.
»Ich, Ludwig, der Fünfzehnte, König von Frankreich, erkläre hiermit, dass die Welt ab heute nicht mehr dieselbe ist.
Ab heute dient der König dem Volk. Er ist nicht mehr adelig, denn den Adel wird es ab jetzt nicht mehr geben. Ab heute ist jeder für den anderen da. Jeder ist gleich und das Geld wird geteilt. In den Schlössern wohnen die Kinder, die keine Eltern mehr haben. Brot ist ab heute mehr wert als Gold, denn Gold kann man bekanntlich nicht essen, und das Wertvollste ist das Leben. Krieg wird verboten, genauso wie Lügen, und jeder ist dazu verpflichtet, ehrlich zu sein. Deshalb darf jeder ab jetzt jedem vertrauen, und wer das Vertrauen missbraucht, muss den anderen dienen, bis die ihm verzeihen. Alles, was man tut, tut man in Freiheit. Das heißt, dass man dafür die Verantwortung trägt. Hass, Neid und Rache gibt es nicht mehr und die einzige Macht ist die Liebe.«
Sarah lauschte in die absolute Stille hinein. Sie sah in die leuchtenden Augen der Kinder, hörte das leichte Rieseln von Sand und sah wie Jo zur Decke empor.
»Was ist?«, fragte Rachel, die neben Jo stand, und der König, der diese Frage ebenfalls hörte, hob interessiert den Kopf. Er folgte Jos Blick und entdeckte den Sand,
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