Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir
gekommen bin.
Draußen flimmern die Lichter eines regnerischen Abends.
Die Space Needle deutet wieder mal auf Regenwolken.
Ich hab den ganzen Tag geschlafen, fühle mich aber, als wäre ich seit einer Woche auf den Beinen.
Nicht allein wegen der Nacht im Käfig.
Hauptsächlich wegen der Sache mit Abby.
Treibt mich ganz schön um.
Anrufen will ich sie trotzdem nicht.
Ich weiß, dass ich sie ungeachtet der Endgültigkeit in ihren Nachrichten anrufen sollte.
Dass sie vermutlich genau darauf wartet.
Aber ich tu’s nicht.
Weil ich wütend bin.
Und weil ich mutlos bin.
Denn insgeheim glaube ich sogar, dass der Bruch nicht mehr zu kitten ist.
Dass Abby schon mit mir abgeschlossen hat.
Oder ich mit ihr.
Das auf meiner Mailbox klingt jedenfalls schwer danach.
Nicht nach Rosen und schon gar nicht nach Ringen.
Nur nach Regen.
Weshalb ich mein Handy mit Verachtung strafe und nicht mal in meine Jackentasche stecke, als ich mich bereit mache, trotz meines zweiten freien Abends in Folge in den Club zu gehen, um den Kopf klar zu kriegen.
Was mir an einer Bar besser gelingt als hier allein zu Hause, wie ich mir gern einrede.
»Was willst du heute sehen?«, frage ich Marlowe, während ich die Manschetten meines schwarzen Hemds zuknöpfe.
Mein Spiegelbild fährt sich noch mal durchs Haar.
Nach einer Vollmondnacht ist es kaum zu bändigen.
Ein genauso hoffnungsloser Fall wie der Bartschatten, den ich ums Verrecken nicht von meinen Wangen geschabt kriege.
Jedes Mal dasselbe.
»Wieder SpongeBob?«
Marlowe antwortet mit einem Bellen.
Er kennt das Spiel inzwischen.
Hab den Verdacht, dass er nur mir zuliebe mitmacht.
»Sorry, Kumpel, Scooby-Doo läuft zurzeit nicht.«
Noch ein Bellen.
»Ich weiß, ich versteh’s auch nicht …«
Ich schalte den Fernseher ein, schraube die Lautstärke runter und werfe die Fernbedienung achtlos aufs Sofa.
Marlowe lässt sich auf der Couch nieder.
»Hast du’s bequem?«
Marlowe hechelt seine Zustimmung.
»Du bist der Beste. Sei artig, Kumpel.«
Ich kraule Marlowe zwischen den Ohren und schaue eine Weile dumpf auf den Fernseher, bevor ich mich losreiße und die Wohnung verlasse.
*
Unten vor dem Haus treffe ich auf Bartholomäus, den Chihuahua von Mrs. Summers, der stinkreichen Witwe mit einem Fimmel für Pelze, die das Penthouse über unser aller Köpfe bewohnt.
Sie hält bereits die Tür eines mit laufendem Motor wartenden Taxis auf.
»Komm, Bartholomäus!«, ruft sie streng, aber der neurotische kleine Kläffer denkt nicht dran.
Baut sich vor mir auf und bellt mich wie wild an.
Ganz schön mutig für so ein kleines, zitterndes Ding mit pelzgesäumtem Jäckchen, das in seinen schlimmsten Albträumen im Park von einem Eichhörnchen besprungen wird.
Dem Wolf, der noch nahe an der Oberfläche herumschleicht, schmeckt das aufsässige Verhalten des Zwergs gar nicht.
Ein Knurren, und der Köter rennt jaulend zu seinem Frauchen und springt mit einem Satz ins Taxi.
Mrs. Summers wirft mir einen vernichtenden Blick zu, ehe sie in den Wagen steigt.
Dessen Rückleuchten glühen wie Wolfsaugen.
Ich verscheuche den Gedanken und gehe in die entgegengesetzte Richtung davon.
Die Dunkelheit riecht nach noch mehr Regen.
*
Marcy stellt ein Bier vor mir auf den Tresen.
»Ärger?«, fragt sie nur ein klein wenig gehässig.
Ich schaue sie nicht an und widme mich der Flasche.
»Wie kommst du drauf?«, frage ich nach dem ersten Schluck gelassen zurück.
Marcy fährt sich durch die blonde Mähne.
»Na ja. Du kommst an deinem freien Abend her. Und du hast dein Streitgesicht aufgesetzt.«
»Ich hab kein Streitgesicht«, widerspreche ich, aber Marcy lacht nur, und ich weiß, dass sie recht hat.
Weiß genau, welchen Gesichtsausdruck sie meint.
Ist echt mies, dass ausgerechnet eine Ex von mir Dienst am Tresen schiebt, wenn ich herkomme, um mich wegen meiner Freundin-Schrägstrich-Neu-Ex zu betrinken.
Und dann auch noch eine verdammt scharfe Ex.
Schwarze Hose, dunkelgrünes Spaghettiträger-Top.
Betont ihre Augen.
Und auch alles andere.
Beim zweiten Bier grüble ich bereits höchst philosophisch darüber nach, wieso die Namen meiner letzten vier Flammen allesamt auf ein Y endeten.
Nancy.
Sandy.
Marcy.
Abby.
Ich beginne, ein Muster zu erkennen.
Noch zwei oder drei Bier, und ich hab die Sache mit dem Weltfrieden ausgeknobelt.
Marcy dagegen beginnt, mich zu nerven.
»Was hat deine Professorin denn gemacht?«
»Dozentin«, sage ich automatisch. »Sie ist Dozentin. Keine
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