Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen
zögernd den Finger, das Handy stellte die Verbindung her. Er hörte sein Herz laut schlagen. Was war bloß los mit ihm?
»Diese Nummer ist nicht belegt«, sagte eine weibliche Automatenstimme. »Erkundigen Sie sich bitte bei Ihrem …«
Marco unterbrach die Verbindung. Teils zornig, teils erleichtert. Evi hatte ihm eine falsche Nummer gegeben. Sie verhielt sich so, wie er es normalerweise bei One-Night-Stands tat.
*
Zurück in Wien, überlegte er, ob er Blink in die Details seines kleinen Abenteuers einweihen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Sosehr er den Freund auch schätzte – Blink würde Kübel voller Spott über ihm ausschütten. Sie beide waren sich stets einig gewesen, dass Evi zwar recht gut aussah, es ihre geistige Tieffliegerei aber unmöglich machte, auch nur irgendwelche Sympathien für sie zu empfinden. Marco hätte zugeben müssen, dass sie wie Karnickel gerammelt hatten und er so viel Spaß empfunden hatte wie selten zuvor in seinem Leben.
Marco versuchte, Evelyn aus seinen Gedanken zu verdrängen. Doch immer wieder kamen die Erinnerungen an ihren festen Körper hoch und an die Hitze, die sie ausgestrahlt hatte. Und vor allem an die Geilheit, die sie empfunden und mit der sie ihn angefacht hatte, immer wieder.
Marco rutschte mit dem Schraubenschlüssel ab, nicht zum ersten Mal an diesem Tage. Verärgert legte er das Werkzeug beiseite und stand auf. Er umrundete die Harley und betrachtete sie kritisch. Viele schöne Stunden hatte er auf ihr verbracht und große Teile Europas mit ihr bereist, er liebte sie heiß und innig. Doch heute bot die Arbeit an der Maschine nicht jene Ablenkung, die er sich gerne gewünscht hätte.
Marco wusch sich die Hände, verließ die Garage und setzte sich an seinen Laptop. Er rief Online-Ausgaben mehrerer Tageszeitungen ab, informierte sich über das politische Geschehen, wie jeden Tag, und ärgerte sich, wie jeden Tag. Dann die Sportnachrichten, dann ein kleines Kartenspiel, dann …
Ja, was dann?
Ach, was soll’s!
Zögerlich gab er Evis Vor- und Nachnamen in die Maske der Suchmaschine ein und wartete einige Sekunden, bis er ein Ergebnis ausgespuckt bekam.
»Siebzehntausend Einträge! Wie zur Hölle … wer ist diese Frau, bitte schön?« Hatte er geglaubt, dass die Suche nach Spuren seiner ehemaligen Klassenkameradin schwer bis unmöglich sein würde, musste er nun feststellen, dass Evi weitaus bekannter war, als er sich vorgestellt hatte.
Marco klickte willkürlich durch einige der Lebensläufe, die Wirtschafts- und Fachjournalisten über Evi angelegt hatten. Sie besaß als Geschäftsführerin mehrerer Firmen einen ausgezeichneten Ruf, war im Aufsichtsrat zweier bekannter Firmen im Modebereich zu finden, beriet ein mondänes Wiener Werbebüro und hatte ein schmales Büchlein veröffentlicht.
Marco kaufte das E-Book und lud es auf sein Lesegerät. Es trug den profanen Titel »Kochen mit Leidenschaft«. Er begann es durchzublättern, erst gelangweilt von einem Thema, das ihn kaum tangierte, dann mit stetig steigendem Interesse. Evi verband alte Kochrezepte mit ungewöhnlicher Kochkultur und hatte dazu amüsante Texte verfasst, in dem sie sich unter anderem dem Thema »Kochen und Sex« eingehend widmete. Staunend las er weiter, ein Kapitel nach dem anderen, so lange, bis er feststellte, dass es Abend geworden war und sein Magen gehörig knurrte.
Einem spontanen Einfall folgend, nahm Marco den Laptop mit in die Küche und zauberte mit Hilfe des Buchs aus den wenigen Zutaten, die er zu Hause zur Verfügung hatte, ein raffiniertes und wohlschmeckendes Nachtmahl.
»Evi, du wirst mir immer unheimlicher«, sagte er zu sich selbst und nahm einen Schluck Rotwein. Herb, nicht zu süß. So, wie es die Autorin des Buchs geraten hatte.
*
Er setzte alle Hebel in Bewegung, um noch mehr über Evi in Erfahrung zu bringen. Sie hatte eine Zeit lang ein Start-up-Unternehmen geführt, das originelle Werbeartikel verkauft hatte. Evi war ideengebend für mehrere Produkte gewesen. Manche von ihnen, wie zum Beispiel das E-Kondom, das dem Träger während der Benutzung leichte Stromstöße versetzte, waren während der letzten Jahre als beliebte Gimmicks auf einschlägigen Partys aufgetaucht. Sie hatte darüber hinaus zwei Patente im Bereich Spritzgusstechnik angemeldet. Ihre politischen Kontakte reichten bis weit in die Spitzen der Großparteien hinein, sie galt als gefragte Gesprächspartnerin zweier Minister. Evi hatte Artikel über Zeitmanagement in Fachzeitschriften
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