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Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod

Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod

Titel: Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dienst des Herrn stellen; oder um genauer zu sein, seines selbst ernannten Sprachrohres auf Erden.
    »Bis zur nächsten Woche lernt ihr den Ersten Brief an die Korinther auswendig«, schloss Folsom seine Inspektion erwartungsvoll dreinblickender Gesichter ab, deren Interesse allerdings sehr viel weniger dem Korintherbrief galt als dem strahlenden Sonnenschein draußen und der guten Stunde freier Zeit, bis die Glocke sie wieder in dieselbe Kirche rufen würde, um zusammen mit ihren Eltern den Sonntagsgottesdienst zu zelebrieren. Einige der Glücklicheren, das wusste Herman, würden nicht einmal mehr das über sich ergehen lassen müssen, sondern direkt nach Hause oder zu ihren Freunden gehen. Sein Vater hielt ihre Eltern für Ketzer oder doch zumindest sträflich leichtsinnig, so mit dem Seelenheil ihrer Kinder zu spielen, und Herman war ein bisschen neidisch auf sie. Vielleicht waren die Eltern dieser Kinder (Familien, mit denen sein Vater außerhalb der Kirche kein Wort sprach) einfach nur großzügig und der Meinung, dass ihre Kinder wenigstens an einem Tag in der Woche ein bisschen Zeit für sich selbst brauchten.
    »Und ich werde euch abhören, am nächsten Sonntag!«, fügte Reverend Folsom noch hinzu, während seine Schutzbefohlenen bereits von den unbequemen Bänken aufsprangen und dem Ausgang zustrebten, mit deutlich erhobener Stimme, um den dabei entstehenden Lärm zu übertönen, und an niemanden im Besonderen gewandt; jedenfalls dachte Herman das, bis er den rettenden Ausgang fast erreicht hatte und Gottes Stellvertreter auf Erden noch hinzufügte: »Und ganz besonders dich, Webster Riley! Denk lieber daran!«
    Herman zog es sowohl vor, so zu tun, als hätte er diese Worte nicht gehört, als auch sich nicht zu ärgern, dass Folsom seinen zweiten Vornamen benutzt hatte. Niemand nannte ihn Webster, nicht einmal seine Mutter, obwohl sie selbst ihm diesen Namen gegeben und sich dabei sogar gegen seinen Vater durchgesetzt hatte. Herman selbst hatte das affektierte »Webster« niemals leiden können. Er wusste zwar nicht, woher Folsom dieses Wissen hatte, war aber ziemlich sicher, dass er ihn nur aus dem einen Grund so ansprach, um ihn zu erniedrigen. Aber der Unterricht war vorbei und Folsom hatte für die nächsten knapp sieben Tage keine Macht mehr über ihn, und so perlten seine Worte auch einfach an ihm ab wie von einem unsichtbaren Schild, den er vor sich hertrug.
    Außerdem war heute ein besonderer Tag, das spürte er, auch wenn er selbst nicht wusste wieso. Etwas würde heute geschehen, und am nächsten Sonntag, wenn Folsom ihn vor die anderen zitierte und darauf wartete, dass er den Korintherbrief nicht aufsagen konnte, würde er nicht mehr derselbe sein wie heute.
    Folsom rief noch etwas. Herman verstand nicht mehr was, meinte aber erneut, das verhasste »Webster« zu hören, und beeilte sich nur umso mehr, die Kirche zu verlassen.
    Folsom war nicht mehr in dem Alter, sich auf ein Wettrennen mit einem Zehnjährigen einzulassen, und sich selbst viel zu fein, um zu schreien; ganz davon abgesehen, dass seine Stimme ohnehin im Lärm der anderen Schüler untergegangen wäre.
    Nur zur Sicherheit legte er noch ein weiteres gehöriges Stück zwischen sich und die Kirchentür – seit einiger Zeit plagte Reverend Folsom zur allgemeinen Schadenfreude seiner Schüler die Gicht, sodass er angefangen hatte, möglichst sparsam mit seinen Bewegungen umzugehen, aber man konnte nie wissen – sich einmal in seinen heiligen Zorn hineingesteigert, war der nicht minder heilige Mann immer für eine Überraschung gut. Heute jedoch nicht, wie es aussah. Weder erscholl seine Stimme zum dritten Mal, um ihm ein beleidigendes »Webster« nachzurufen, noch humpelte eine ganz in Schwarz gekleidete kahlköpfige Gestalt ins Freie, um Pfeile reinen göttlichen Zornes auf den nächstbesten Sünder zu schleudern, dessen er ansichtig wurde.
    Dafür gewahrte er eine andere Gestalt, die seine Aufmerksamkeit erweckte, obwohl er im ersten Moment nicht einmal sagen konnte warum. Es war ein Mann – eigentlich war er sich nicht einmal dessen ganz sicher, denn die Gestalt stand ein Stück entfernt und nicht nur auf der anderen Straßenseite, sondern auch gegen die Sonne, aber er hatte dennoch das Gefühl, lang bis über die Schulter fallendes schwarzes Haar zu erkennen – und da war noch etwas. Der Fremde starrte ihn an. Herman war viel zu weit entfernt, um mehr als einen verwaschenen Fleck zu erkennen, wo sein Gesicht sein sollte, doch er

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