Hotel in Flammen
Kiste 140 Sachen macht. Aber in der Stadt sind nur 50
erlaubt.“
Jörg grunzte und mäßigte das Tempo
etwas.
Sie fuhren durch den hübschen Ortskern,
wo schicke Geschäfte ihre Auslagen zeigten. Den Marktplatz umringten
Patrizierhäuser — die aussahen wie aus einer Bilderbuch-Welt.
„Das ist es, was uns noch gefehlt hat“,
sagte Jörg: „Vier Gäste, die nicht zahlen.“
„Falls du uns meinst“, entgegnete Tim, „mußt
du die Sache so sehen: Gaby als Bruder-Tochter deiner Stiefmutter ist engste
Verwandte und somit sicherlich gern gesehen — bei Tante Isa. Was uns Jungs
betrifft, so geniert es uns sehr, daß sie uns eingeladen hat.“
„Sie ist zu gutmütig“, sagte Jörg. „Bei
mir müßtet ihr blechen.“
„Wenn du im Erlenhof das Sagen hättest“,
lächelte Tim, „kämen wir nicht. Ich vermute sogar, überhaupt kein Gast käme.“
„Was willst du damit sagen?“ schnaubte
Jörg.
„Will damit sagen, daß deine
Freundlichkeit noch etwas krude ( unverdaulich ) ist. Aber wenn du fleißig
dran arbeitest, kann’s ja noch werden.“
Jörg knurrte. Es klang, als wäre er
geschmeichelt. Offenbar wußte er nicht, was krude bedeutet.
Doch dann wurde er gleich wieder pampig
und ließ den nächsten Hammer raus: „Wie ich von Isa hörte, bleibt ihr ‘ne
Woche. Damit alles klar ist: Der Boss — das bin ich. Kapiert?“
„O Gott!“ sagte Gaby.
Karl begann zu hüsteln. Klößchen zerbiß
krachend ein Stück Schoko-Nuß, wobei das Krachen auf eine Nußschale
zurückzuführen war, die sich als Fremdkörper in das Genußmittel eingeschmuggelt
hatte.
„Für uns“, lachte Tim, „gibt’s keinen
Boss, King, Verweser, Obermacker, Duce, Leithammel, Negus oder Häuptling. Weil
wir überhaupt kein Talent dazu haben, Befehle zu empfangen. Außerdem wissen wir
aus Erfahrung: Nur eine total abgedrehte Null spielt sich als ein solcher auf.
Und wer ließe sich von dem was sagen? Für uns gilt nur Tante Isas Wort, und sie
wird bestimmt nicht befehlen, sondern ersuchen.“
„Soso“, schnaubte Jörg. „Ihr wollt euch
also von mir nichts sagen lassen. Na, das werden wir noch sehen.“
„O Gott!“ seufzte Gaby zum zweiten Mal.
Tim wollte Jörg noch eins reinstauchen.
Aber in diesem Moment fuhren sie am Hotel WEEKEND vorbei.
Daß es dies war und keins der anderen,
ließ sich unschwer erkennen: an den meterhohen Leuchtbuchstaben über dem
Portal, an dem knallgoldenen Schriftzug an der Hausfront, an der
hotelketten-eigenen Fahne, die neben der Auffahrt aufgepflanzt war, und an den
Ausmaßen.
Tim beugte sich zum Fenster und zog
Gaby mit.
An acht Stockwerken sahen sie empor.
Oder waren es neun? Und wie das da blitzte in Marmor, Glas und Stahl!
Unter dem Dach, dachte Tim,
findet sich garantiert alles: Restaurant, Grillroom, Tagesbar, Nachtklub,
Dachgarten-Schwimmbad, Sauna, Festsaal, Coiffeur (Frisör), Ladenstraße
und 400 Luxusbetten für gutbetuchte Gäste. Die kleinen Hoteliers können einem
leid tun. Was bleibt für die noch?
Um so überraschter war er dann, als sie
den ERLENHOF erreichten.
Das Romantik-Hotel lag am Ortsrand.
Dahinter begann der Wald mit Trimmpfad und Wanderwegen.
Der ERLENHOF war wie eine Villa gebaut
— mit einem Park drumherum und einem Hallenbad, das sommers parkseitig geöffnet
wurde. Dann verschmolzen Pool, Liegewiese und Tennisplatz zu einem
Freizeitgelände.
„Viel schöner als das Weekend“, sagte
Tim, „nur eben nicht ganz so modern.“
Seine Freunde stimmten zu.
„Wie viele Gäste könnt ihr aufnehmen?“
wurde Jörg von Karl gefragt.
Der Typ ließ sich Zeit, ehe er
antwortete: „Sechzig, glaube ich. Weiß es nicht genau.“
„O Gott!“ flüsterte Gaby.
Jörg fuhr hinter das Gebäude und hielt
auf dem Hof.
Andere Fahrzeuge standen hier — vermutlich
die der Angestellten. Kästen mit leeren Bier- und Weinflaschen stapelten sich.
Ein Kochlehrling kam aus einem Nebengebäude, trug eine flache Kiste zur
Hintertür und äugte neugierig her. Hinter den Milchglasscheiben der Küchenräume
klapperten Geschirr und Töpfe.
„Ihr habt ja Personal“, sagte Klößchen.
„Na klar!“ Jörg zog den Zündschlüssel
ab.
„Genügend?“
„Klar.“
„Wir dachten, ihr hättet Mangel“,
forschte Karl.
„Mangel — woran?“
„An Mitarbeitern?“
„Naja, ein bißchen. Glattfeldt hat
gekündigt, der Empfangschef. Ist heute sein letzter Tag hier.“ Jörg stieg aus. „Seid
ihr scharf auf einen Job?“ fragte er durch die geöffnete Tür.
„Eigentlich sind
Weitere Kostenlose Bücher