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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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und warten. Der Schwarze und der Motorradfahrer warteten mit mir. Der Mann, auf dessen Namensschild »Harry das Pferd« stand, schrie immerzu:
    »He Doktor warten Sie he Doktor warten Sie he Dok …«
    Ich wandte mich der Frau zu. Auf ihrem Namensschild stand »Jane Doe«. Sie sang mit zunehmender Lautstärke eine chromatisch-phonetische Tonleiter: OOOO - AYYY - EEEE - IYYY - UUUU  …
    Auf unsere Aufmerksamkeit reagierte Jane Doe mit Bewegungen, als wollte sie uns berühren, und ich dachte, »Faß mich bloß nicht an!« und sie tat es nicht. Aber sie drückte einen langen, saftigen Furz ab. Gerüche haben mich immer umgehauen, und dieser hier erst recht. Ich hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. Oh nein, sie würden mich nicht dazu bringen, mir jetzt meine Patienten anzusehen. Ich drehte mich weg. Der Schwarze, er hieß Chuck, sah mich an.
    »Wie findest du das?« fragte ich.
    »Mann, das is traurig.«
    Über uns ragte der Riese in der schwarzen Motorradkluft. Er zog seine Jacke wieder an und sagte:
    »Jungs, in meiner Medical School in Kalifornien habe ich noch nie jemanden gesehen, der so alt war. Ich gehe nach Hause zu meiner Frau.«
    Er drehte sich um, ging den Korridor zurück und verschwand im Fahrstuhl nach unten. Auf dem Rücken seiner schwarzen Motorradjacke stand in blanken Messingnieten:
    EAT MY DUST
EDDIE
    Jane Doe furzte wieder.
    »Hast du auch eine Frau?« fragte ich Chuck.
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Aber das hier halte ich nicht aus. Unmöglich.«
    »Gut, Mann, gehen wir einen trinken.«
    Chuck und ich hatten dann eine ganze Menge Bourbon und Bier in uns hineingekippt und waren schließlich an dem Punkt angelangt, an dem wir über Jane Does Furzen und die ewige Litanei von Harry dem Pferd lachen konnten. Angefangen hatten wir damit, uns gegenseitig unseren Abscheu zu schildern, dann unsere Angst, und jetzt waren wir dabei, uns unsere Vergangenheit zu erzählen. Chuck war bettelarm in Memphis aufgewachsen. Ich fragte, wie er bei so bescheidener Herkunft bis zum Gipfel der akademischen Medizin, in das
House of God
gelangt war. »Also, Mann, das war so. Ich war in Memphis auf der
High School,
und eines Tages kommt diese Postkarte vom
Oberlin College,
da steht drauf: ›Wollen Sie ins
College
nach Oberlin? Wenn ja, schicken Sie diese Karte ausgefüllt zurück‹. Das war’s, Mann, das war alles. Keine Bewerbung, keine Aufnahmeprüfung, nichts. Hab ich natürlich zugeschlagen. Dann krieg ich diesen Brief, da heißt es, ich bin aufgenommen, vier Jahre, volles Stipendium. Und die weißen Jungs in meiner Klasse reißen sich den Arsch auf, um das zu kriegen. Also, ich war noch nie im Leben raus aus Tennessee, keine Ahnung von diesem Oberlin, nur einer, den ich frag, erzählt mir, die haben da ’ne Musikhochschule.«
    »Hast du ein Instrument gespielt?«
    »Spinnss du? Mein alter Herr hat als Nachtwächter Cowboy-Romane gelesen, und meine Alte hat Fußböden geschrubbt.
    Das einzige, was ich gespielt hab, war Basketball. Am Tag, an dem ich fahren soll, sagt mein alter Herr: ›Junge, beim Militär bist du besser dran.‹ Also nehm ich den Bus nach Cleveland und dann umsteigen nach Oberlin, und ich weiß nich, ob ich in den richtigen Bus gestiegen bin, aber dann seh ich diese Typen mit den Musikinstrumenten und sag mir, jap, das muß richtig sein. Also, war ich in Oberlin. Hauptfach vorklinische Medizin, muß man nichts für tun, nur zwei Bücher lesen – die Ilias, hab ich nich geschnallt, und dies Wahnsinnsbuch über rote Killerameisen. Weiß du, da wurde dieser Typ gefangen, gefesselt auf die Erde gepackt, und diese Armee von roten Killerameisen kommt anmarschiert. Wahnsinn.«
    »Und warum wolltest du dann zur
Medical School?
«
    »Das war so, Mann, genauso. Im Abschlußjahr krieg ich diese Postkarte von der Universität von Chicago: ›Wollen Sie zur
Medical School
in Chicago? Wenn ja, schicken Sie diese Karte ausgefüllt zurück‹. Das war alles. Keine Aufnahmeprüfung, keine Bewerbung, nichts. Volles Stipendium, vier Jahre. Das war’s, und da bin ich dann hin.«
    »Und das
House of God,
was war damit?«
    »Auch so, Mann, genauso. Abschlußjahr, Postkarte: ›Wollen Sie
Intern
im
House of God
werden? Wenn ja, schicken Sie diese Karte ausgefüllt zurück‹. Das isses. Sonst noch was?« »Mann, du hast sie alle reingelegt.«
    »Dachtich auch, aber weiß du, ich seh diese jammervollen Patienten und das alles, und ich denk, die Typen, die mir diese Postkarten geschickt haben,

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