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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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dann sah ich, in einem Strudel von Angst, einen Wanderzirkus von den Klippen ins Meer stürzen, die Haie zerfleischten den üppigen Hintern eines Beuteltiers, das bemalte Gesicht des ertrunkenen Clowns zerfloß in der kalten, unmenschlichen Salzlake.

3
    Der Dicke dürfte der erste gewesen sein, der mir zeigte, was ein Gomer ist. Er war mein erster
Resident
und half mir, von einem BMS -Studenten zu einem
Intern
im
House of God
zu werden. Er war wundervoll und ein Wunder an sich. In Brooklyn geboren, in New York City aufgewachsen, vital, unerschütterlich, brillant, tüchtig. Angefangen bei seinem glatten, schwarzen Haar, seinen scharfen, schwarzen Augen, dem wulstigen Kinn, dem enormen Bauch, der seine Gürtelschnalle wie einen blanken Fisch auf seinem Leib auf und ab gleiten ließ, bis hinunter zu seinen breiten, schwarzen Schuhen war der Dicke einfach phantastisch. Nur New York City konnte ein solches Geschöpf hervorbringen. Als Dank betrachtete der Dicke die Wildnis westlich des großen Grenzstreifens, dem
Riverside Drive,
mit äußerstem Mißtrauen. Die einzige Ausnahme, die er in seinem städtischen Provinzlertum gelten ließ, war Hollywood, das Hollywood der Filmstars.
    Am Morgen des ersten Juli, um 6  Uhr 30 , verschlang mich das
House of God,
und ich stand in einem langen, giftgrünen Korridor im sechsten Stock. Das war Station 6 -Süd, wo ich anfangen sollte. Eine Schwester mit herrlich behaarten Unterarmen wies mir den Weg zum Dienstzimmer des
House Officers,
wo die Visite stattfand. Ich öffnete die Tür und trat ein. Ich bestand nur noch aus Angst. Wie Freud via Berry gesagt hatte, kam meine Angst »auf direktem Wege vom Es«.
    Um den Tisch herum saßen fünf Personen. Der Dicke und ein
Intern,
Wayne Potts, ein Südstaatler, den ich von der BMS kannte, ein netter Junge, aber depressiv, gehemmt und irgendwie zusammengesackt. Er war strahlend weiß gekleidet, und seine Taschen beulten sich aus vor lauter Instrumenten. Die drei anderen glühten vor Eifer, und daraus schloß ich, daß es BMS -Studenten waren, die ihr medizinisches Praktikum machten. Jeder
Intern
bekam für das ganze Jahr einen BMS aufgedrückt. »Wird auch Zeit«, sagte der Dicke und biß in ein Brötchen. »Wo bleibt der andere Vogel?«
    Ich nahm an, er meinte Chuck, und sagte: »Ich weiß es nicht.«
    »Dämlicher Vogel«, sagte der Dicke. »Wegen dem komme ich noch zu spät zum Frühstück.«
    Ein Piepser ging los, und Potts und ich erstarrten. Es war der des Dicken: »Zentrale für den Dicken, ein Gespräch von außerhalb, Zentrale für den Dicken, ein Gespräch von außerhalb, sofort.«
    »Hallo, Murray, was gibt’s?« sagte der Dicke in den Apparat. »Ah, gut. Was? Ein Name? Sicher, ja, kein Problem, Moment mal.« Zu uns gewandt fragte er: »Sagt mir einen griffigen Arztnamen, ihr komischen Vögel.«
    Ich dachte an Berry und sagte: »Freud.«
    »Freud? Nein. Einen anderen. Schnell.«
    »Jung.«
    »Jung? Jung. Murray? Ich hab’s. Nenn’ es Dr. Jung’s. Sehr gut. Denk dran, Murray, wir werden reich. Millionen. Wiedersehen.« Der Dicke wandte sich wieder zu uns und sagte mit zufriedenem Grinsen: »Ein Vermögen. Ha! OK , fangen wir die Visite ohne den andren
Intern
an.«
    »Gut«, sagte einer der Studenten und stand auf. »Ich hole den Aktenwagen. An welchem Ende der Station beginnen wir?«
    »Setzen Sie sich!« sagte der Dicke. »Was reden Sie da?«
    »Wollen wir nicht Visite machen?« fragte der BMS .
    »Das wollen wir, und zwar genau hier.«
    »Aber … aber sehen wir uns die Patienten nicht an?«
    »In der Inneren Medizin muß man sich die Patienten nicht ansehen. Allen Patienten geht es besser, wenn man sie nicht sieht. Sehen Sie diese Finger?«
    Wir sahen uns die kurzen fetten Finger des Dicken aufmerksam an.
    »Diese Finger berühren den Körper eines Patienten nur, wenn es sein muß. Sie wollen Körper sehen, gut, gehen Sie, sehen Sie sie sich an. Ich habe genügend Körper gesehen, vor allem von Gomers, das reicht mir fürs ganze Leben.«
    »Was ist ein Gomer?« fragte ich.
    »Was ein Gomer ist?« sagte der Dicke. Mit einem kleinen Grinsen buchstabierte er: »G-O …«
    Er hielt inne, den Mund zum O geformt, und starrte zur Tür. Da stand Chuck in einem bis zu den Schuhen reichenden braunen Ledermantel mit braunen Fellkanten, Sonnenbrille und einem braunen Lederhut mit breiter Krempe und einer roten Feder. Er ging schwerfällig auf Plateausohlen und sah aus, als hätte er die Nacht durchgetanzt.
    »He, Mann, was liegt

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