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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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zuständigen
Intern
erwartete, daß er über alle Maßnahmen an seinen Patienten berichtet. Nicht, daß er unbedingt Erfolge erwartete, aber wenigstens einige Daten, damit er am späteren Vormittag beim darauf folgenden Kartenflip, einer komprimierten Version des Kartenlegens mit dem Fisch und dem Leggo, »irgendeinen Quatsch« berichten könne. Die Neuaufnahmen des
Intern,
der in der Nacht Dienst gehabt hatte, sollten immer die ersten des Stapels sein. Er sei nicht an blumigen Ausarbeitungen akademischer Theorien über die jeweilige Krankheit interessiert, erklärte der Dicke. Nicht, daß er unakademisch vorgehe, im Gegenteil, er sei der einzige
Resident,
der seine eigene Referenzkartei aller Krankheiten besaß: auf DIN -A 5 -Karten. Er liebte Verweise auf DIN -A 5 -Karten. Er liebte alles, was auf DIN -A 5 -Karten stand. Aber er hatte strenge Prioritäten, und an allererster Stelle stand das Essen. Bevor dieser ehrfurchtgebietende Panzer, in dem sein Verstand saß, durch den gierigen Stutzen seines Mundes vollgetankt war, hatte der Dicke keine Geduld für die Medizin, weder für die akademische noch für eine andere, oder für sonst irgend etwas.
    Als die Visite vorbei war, ging der Dicke zum Frühstück und wir auf die Station, um die Patienten auf unseren Karten kennenzulernen. Potts, grün im Gesicht, sagte:
    »Roy, ich bin so nervös wie eine Hure in der Kirche.«
    Levy, mein BMS -Student, wollte mich zu meinen Patienten begleiten, aber ich scheuchte ihn weg zur Bibliothek, wo sich alle BMS -Studenten gern aufhalten. Chuck, Potts und ich standen in der Stationszentrale, und die Schwester mit den behaarten Unterarmen sagte zu Potts, die Frau auf der Trage sei seine erste Aufnahme für heute und sie heiße Ina Goober. Ina war ein großer Fleischklops, der aufrecht auf einer Trage saß. Sie trug ein Hemd, das wie eine Art Uniform aussah und quer über ihrer Brust die Aufschrift trug: »Das Neue Masada Pflegeheim«. Böse umklammerte sie ihre Handtasche und schrie schrill und durchdringend:
    »Geh weg geh weg geh weg …«
    Potts tat, was im Lehrbuch steht. Er stellte sich vor: »Hallo, Mrs. Goober, ich bin Dr. Potts. Ich werde mich um Sie kümmern.«
    Ina kreischte noch lauter: »Geh weg geh weg geh weg …«
    Potts versuchte es mit der anderen im Lehrbuch empfohlenen Methode und griff nach ihrer rechten Hand. Blitzschnell versetzte Ina ihm mit ihrer Tasche einen linken Haken, der ihn gegen den Aufnahmetresen zurückstieß. Diese Bösartigkeit erschreckte uns. Potts rieb sich den Kopf und fragte Maxine, die Schwester, ob Ina einen
Private Doctor
habe, der ihm Informationen geben könne.
    »Ja«, sagte Maxine, »Dr. Kreinberg. Der kleine Otto Kreinberg. Das ist der dahinten, der die Anordnungen in Inas Akte einträgt.«
    »Belegärzte dürfen nichts verordnen«, sagte Potts, »das ist gegen die Vorschrift. Nur
Interns
und
Residents
verordnen.«
    »Der kleine Otto ist anders. Er will nicht, daß Sie für seine Patienten etwas verordnen.«
    »Darüber werde ich sofort mit ihm reden.«
    »Bitte sehr. Klein-Otto spricht nicht mit
Interns.
Er haßt Sie.«
    »Er haßt mich?«
    »Er haßt jeden. Sehen Sie, er hat vor dreißig Jahren etwas erfunden, das mit dem Herzen zu tun hat, und hat erwartet, dafür den Nobelpreis zu bekommen. Hat er aber nicht. Darum ist er verbittert. Er haßt jeden, vor allem
Interns.
«
    »He, Mann«, sagte Chuck, »is bestimmt ’ne große Sache. Bis später.«
    Ich hatte solche Angst, meinen Patienten gegenüberzutreten, daß ich Durchfall bekam und mit meinem Wie-mache-ich-was-Handbuch auf den Knien auf der Toilette saß. Mein Piepser ging los: »Dr. Basch bitte sofort nach Station 6 -Süd, Dr. Basch …«
    Das schlug mir direkt auf den Schließmuskel. Jetzt hatte ich keine Wahl mehr. Ich konnte nicht länger weglaufen. Also ging ich raus auf die Station und versuchte, mir meine Patienten anzusehen. Ich nahm meine schwarze Tasche und betrat in meinem Arztkittel die Krankenzimmer. Und mit meiner schwarzen Tasche kam ich wieder aus den Krankenzimmern raus. Das totale Chaos. Da waren die Patienten, und alles, was ich wußte, stand gedruckt in den Bibliotheken. Ich versuchte, ihre Akten zu lesen. Die Wörter verschwammen mir vor den Augen, und meine Gedanken hüpften von
Wie verhalte ich mich bei Herzstillstand
direkt zu Berry, zu diesem seltsamen Dicken, zu Inas brutaler Attacke gegen den armen Potts und zu Klein-Otto, dessen Name in Stockholm keinem ein Begriff war. Wie eine ständige

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