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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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– verlier' keine Sekunde! Laß ihn frei! Er ist kein Sklave, er ist so frei wie irgendeiner von uns! Geschwind – vorwärts!«
    »Was in aller Welt meint der Junge?«
    »Ich meine jedes Wort grad' so, wie ich's sage, Tante, und wenn nicht gleich eins von euch geht, geh' ich selber. Ich hab' den armen Kerl mein ganzes Leben lang gekannt und ebenso Tom – gelt, Tom! Miss Watson, seine Herrin, ist vor zwei Monaten gestorben; es tat ihr so leid, daß sie ihn früher einmal hatte verkaufen wollen. Um das wieder gutzumachen, setzte sie ihn frei – in ihrem Testament!«
    »Na, aber dann – das begreif einer! Warum hast du ihn denn befreien wollen, wenn er doch schon frei war?«
    »Das ist wieder einmal eine Frage, so recht wie von einem Frauenzimmer, das muß ich sagen. Warum? Ei, ich wollte ein Abenteuer haben, so ein echtes, gerechtes Abenteuer! Was? Ich wäre fußtief im Blut gewatet, wenn – Herr des Himmels, Tante Polly!!«
    Und da stand sie leibhaftig, mitten unter der Türe, und sah so strahlend und glücklich aus wie ein zuckriger Engel.
    Tante Sally war mit einem Satz an ihrem Halse und riß ihr beinahe den Kopf ab vor lauter Liebe und Umarmen und lachte und weinte und wußte nicht, was sie tun sollte. Inzwischen hatte ich mir ein sicheres Plätzchen unter dem Bett ausgesucht, denn die Dinge schienen mir allmählich kritisch für uns beide zu werden.
    Ich schielte unter dem Bett vor.
    Nach einer kleinen Weile schüttelte Toms Tante ihre Schwester ab, stellte sich vor Tom hin und schaute ihn über ihre Brille hinweg an, als wolle sie ihn durchbohren.
    Endlich beginnt sie: »Ja, du hast recht, wenn du den Kopf zur Wand drehst, Tom, ich tät's auch an deiner Stelle!«
    »Ach, du lieber Himmel«, fällt Tante Sally kläglich ein, »ist der Junge denn so verändert? Das ist ja Tom gar nicht, das ist Sid! Tom ist, Tom ist – ja, wo ist denn Tom? Der war ja eben noch da!«
    »Du meinst wohl, wo ist Huck Finn? Das meinst du! Ich hab' nicht umsonst jahrelang so 'nen Bengel, wie meinen Tom, großgezogen, um nicht zu wissen, daß das Tom ist. Das war' mir noch schöner! Nur hervor unter dem Bett da, Huck Finn!«
    Ich kroch vor, aber wohl war mir nicht dabei.
    Tante Sally sah so verwirrt und so verständnislos und wie geistesgestört drein, wie ich nie wieder jemand gesehen habe, ausgenommen Onkel Silas, als sie ihm später die Geschichte erzählte. Es machte ihn wie betrunken, denn er wußte den ganzen Tag über kein Ding vom andern zu unterscheiden und lief umher wie im Traum, und am Abend ließ er eine Predigt los, die ihm einen großen Ruf machte in der Gegend, denn der Älteste und Klügste wäre nicht imstande gewesen, sie zu verstehen. Toms Tante Polly aber erzählte nun alles, wer und was ich sei, und ich mußte dann beichten, wie ich in die Klemme geraten sei, daß ich mir nicht anders zu helfen gewußt hätte, als ›ja‹ zu sagen, als mich Mrs. Phelps als Tom Sawyer bewillkommnete. Hier unterbrach mich Mrs. Phelps und meinte: »Sag du nur immer Tante Sally, ich bin's nun schon gewohnt, und es macht mir weiter nichts aus.« – Daß mich also, erzählte ich weiter, Tante Sally als Tom Sawyer begrüßte und ich mich nicht dagegen wehren konnte, denn ich fand keinen Ausweg und wußte auch, daß Tom selbst nichts dagegen haben würde, im Gegenteil, denn ein solches Geheimnis wäre ihm gerade recht, er würde sich nur drüber freuen und ein Abenteuer draus machen, wie's ja auch dann geschehen sei, denn er ging gleich drauf ein und spielte sich als Sid auf und machte mir alles so leicht und bequem, wie er nur konnte.
    Seine Tante Polly sagte, mit Miss Watson und ihrem Testament habe Tom ganz recht, die habe den Jim freigelassen. So war's denn wahrhaftig wahr: Tom Sawyer hatte sich und uns allen die Mühe und Not gemacht, nur um einen alten Nigger freizumachen – der schon frei war! Und nun verstand ich auch erst, wie sich einer von Toms Erziehung dazu hergeben konnte, einem durchgebrannten Nigger weiterzuhelfen. Bis dahin war mir das immer unfaßlich geblieben.
    Tante Polly erzählte dann weiter, als sie Tante Sallys Brief bekommen habe, worin es hieß, daß Tom und Sid angekommen seien, habe sie sofort Unrat gewittert und zu sich selbst gesagt: »Na, da sieh mal einer«, habe sie gesagt, »ich hätt's mir denken können, als ich den Burschen alleine fortließ. Was bleibt mir nun übrig, als selbst hinter dem Bürschchen herzureisen, den ganzen weiten Weg, um herauszukriegen, was diesmal wieder los ist, denn aus

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