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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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unvermittelt und deutete auf Sandros Armbrust. »Sie dürfte doppelt so alt sein wie du.«
    Sandro zuckte mit den Achseln. »Und wennschon. Hauptsache, sie tut ihren Dienst.«
    »Und, kannst du auch damit umgehen?«
    »Kommt darauf an, was du darunter verstehst«, antwortete Sandro vorsichtig.
    »Ob du damit treffen kannst.«
    »Wenn ich es nicht könnte, würde ich sie wohl kaum mit mir herumschleppen. Dann hätte ich sie schon längst beim erstbesten Pfandleiher versetzt«, gab Sandro trocken zurück.
    »Dann lass uns doch mal nach draußen gehen und sehen, ob du nicht bloß ein Aufschneider bist«, sagte Ricco und stand auf.
    Luca tat es ihm sogleich nach. »Gute Idee.«
    Sandro blieb sitzen. »Ich wüsste nicht, warum ich dir etwas beweisen sollte«, sagte er gelassen. »Ich kenne dich nicht einmal. Und wenn ich es recht verstanden habe, zahlt Luca meinen Wein und nicht du.«
    Zum ersten Mal zeigte sich ein breites Grinsen auf dem grobschlächtigen Gesicht von Ricco Talese. »Du gefällst mir, Sandro Fontana. Das ist eine Antwort ganz nach meinem Geschmack. Aber vielleicht ist das hier Grund genug, dass du mir eine kleine Kostprobe von deiner Schießkunst gibst.« Er griff in seine Tasche und warf sechs Piccioli auf die blank gescheuerte Tischplatte. »Na, wie sieht es jetzt aus?«, fragte er. In seiner Stimme lag leiser Spott.
    Sechs Piccioli! Sandro hatte Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Ich denke, das kann man einen recht annehmbaren Grund nennen«, sagte er betont gleichmütig, strich die Münzen von der Tischplatte, steckte sie ein und griff zu Armbrust und Beutel.
    Sie mussten nicht lange nach einem geeigneten Ziel suchen. Ein leeres Fass neben der Schenke schien bestens geeignet.
    Während Sandro die Armbrust spannte und den pfeilartigen Bolzen einlegte, maß Ricco eine Entfernung von fünfzehn Schritten ab und zog mit seinem Stiefelabsatz einen Strich in den Sand.
    »Einverstanden?«, fragte er knapp.
    Sandro begnügte sich mit einem Nicken, stellte sich hinter die Linie und visierte das Fass an. Dann krümmte er den Finger um den Hahn des Abzugs und der Bolzen schnellte von der Armbrust weg und traf das Fass genau in der Mitte.
    »Volltreffer!«, rief Luca und klatschte in die Hände. »Ich habe es gewusst. Was meinst du, Ricco, so einen wie ihn können wir bestimmt gut gebrauchen, nicht wahr?«
    Ricco beachtete ihn nicht. Stattdessen fragte er Sandro: »Was meinst du, ist bei sechs Piccioli noch ein zweiter Schuss drin?« Wieder lag leiser Spott in seiner Stimme.
    Sandro holte wortlos zwei neue Bolzen aus dem Beutel und setzte sie genau links und rechts neben den ersten.
    Während Luca Sandro begeistert auf die Schulter klopfte, starrte Ricco schweigend auf die drei im Holz steckenden Armbrustbolzen. Schließlich legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
    »Nicht schlecht«, sagte er anerkennend. »Kommt, lasst uns wieder in die Schenke gehen. Ich denke, wir drei haben eine Menge zu bereden.«
     
    Als sie wieder in der dunklen Gaststube saßen und frischer Wein vor ihnen stand, war Riccos erste Frage: »Wie steht es mit deinem Gewissen, Sandro Fontana? Bedeutet es dir mehr als ein gut gefüllter Geldbeutel?«
    »Kommt drauf an, worum es geht«, antwortete Sandro und musterte sein Gegenüber genau. Worauf wollte der Kerl eigentlich hinaus? Was sollte das alles? Irgendetwas stimmte nicht mit Ricco, aber er konnte es nicht fassen.
    »Für dich könnte es um fünf Goldflorin gehen.«
    Jetzt war es mit Sandros Gleichmut vorbei. Fünf Goldstücke! Noch nie in seinem Leben hatte er auch nur ein Goldstück besessen, geschweige denn fünf! Der goldene Florin war die Währung der reichen Händler und Kaufleute. Das einfache Volk bekam ihn so gut wie nie in die Hände, sondern wurde ausschließlich mit Silbergeld bezahlt. Und Piccioli konnte man ausschließlich bei einer Wechselbank in Goldstücke umtauschen. Wobei deren Wert in Silber jedoch ständig schwankte, je nachdem, zu welchem Kurs es gerade gehandelt wurde.
    Luca grinste von einem Ohr zum anderen. »Gegen fünf Goldflorin steht das Gewissen auf verlorenem Posten, meinst du nicht auch?«
    Sandro nickte. Er hatte plötzlich einen ganz trockenen Mund, obwohl er gerade erst von seinem Wein getrunken hatte. »Das nenne ich eine höllische Versuchung«, gab er leise zu. »Aber ich fürchte, die fünf Goldflorin werden nicht leicht verdient sein.«
    Ricco zuckte mit den Achseln. »Leichter, als du glaubst. Aber dazu kommen wir

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