Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
«Er hat gefragt, ob er einmal kommen könnt und ob ich ihm was über seinen Großvater erzählen würd. Erst wollt ich nicht, aber der war hartnäckig. Und dann ist er halt gekommen, und wir haben ein Bier miteinander getrunken. Er war sehr höflich, aber wissen S’ was: Irgendwann hat mich ein richtiger Schlag getroffen. Ich hab plötzlich g’wusst: Des is ein Nazi! Ich könnt nicht amal erklärn, warum. Der hat einfach so g’redet wie die früher. Vom Volk und dass die Deutschen verraten worden sind. Und sein armer Großvater auch. Der sei ein Held g’wesen. Noch schlimmer war, dass ich kapiert hab: Der hält mich auch für so eine.»
In der großen Küche war es völlig still. Laura, Marion und Adrian lauschten gespannt.
«Dann hat er versucht rauszukriegen, wer seinen Großvater an die Amis verraten hat. Und da ist mir diese Idee gekommen. Ich weiß gar nicht, wo die herkam. Vielleicht hat’s mir jemand eingegeben, einer von da oben.» Sie wies zur Decke. «Ich hab gedacht, wenn der Dobler noch lebt, dann ist der nie bestraft worden, und das ist eine Schweinerei. Wenn der junge Mann weiß, dass der Dobler seinen Großvater hing’hängt hat, dann kriegt der seine Strafe. Ich kenn doch die Nazis. Und wenn der was mit dem Dobler macht, dann erwischt ihn die Polizei, und er kommt ins Gefängnis, wo die Nazis alle hing’hören.»
«Wahnsinn!», stieß Adrian aus. «Das ist ja ein irrer Plan.»
«Sei still! Ich hab dich als Zeugen eing’laden und nicht, dass du was sagst!»
«Wie haben Sie ihn denn so weit gekriegt, dass er sich am Dobler rächen wollte?» Gespannt beugte Laura sich vor.
«Des war ganz leicht, Frau Kommissarin. Ich hab ihm g’sagt, dass der Dobler viele verdiente Nazis verraten hat, nicht nur seinen Großvater. Der Geuther is ganz unruhig g’worden. Ich hab auch g’sagt, dass ein paar zum Tode verurteilt wurden, von den Amis. Da is er blass g’worden. Und dann hab ich g’sagt, dass der Dobler noch lebt und er ihn suchen soll.»
Aus einem anderen Zimmer klangen dumpf die Schläge einer Standuhr. Zwölf Schläge. Laura zählte mit, sie hatte Mühe zu begreifen, was die alte Frau erzählte.
«Er hat ihn g’funden», sagte sie jetzt leise. «Gott sei Dank hat er ihn g’funden. Ein paar Tag später ist nämlich die Lea Maron gekommen und wollt auch wissen, wo der Dobler ist. Aber da war er schon tot. Sie war dort, aber die Wohnung war versiegelt und von der Polizei abg’sperrt. Und da hab ich Gott gedankt, dass er mir den Geuther g’schickt hat, damit ich die Lea retten kann. So war des!»
Plötzlich fuhr sie auf und funkelte Laura aus ihren Raubvogelaugen an. «Aber die Polizei war zu blöd, den Geuther zu fangen. Und der alte Mayer so dumm, die Geschichte von den Marons zu erzählen. Da hätten S’ die Lea wieder eing’sperrt. Ich bin beinah g’storben vor Angst!»
Adrian Kolpy hielt mit beiden Händen seinen Kopf und machte ein Geräusch, als entweiche die Luft aus einem Ballon. Marions Mund stand halb offen. Laura aber wollte gerade etwas sagen, da herrschte die alte Frau sie an: «Gehen S’ endlich! Verhaften S’ den Geuther. Hat schon Unheil genug ang’richtet!»
Laura ging.
IM TREPPENHAUS blieb Laura stehen und alarmierte ihre kleine Streitmacht. Baumann würde dafür sorgen, dass Geuthers Wohnhaus von allen Seiten abgeriegelt wurde. Florian und Ines unterbrachen ihre Verhöre und machten sich auf den Weg nach Schwabing. Als Laura auf die Straße trat, lehnte Angelo im Schatten des gegenüberliegenden Eingangs und kam schnell auf sie zu, sein Gesicht eine einzige Frage.
«Gleich! Komm in den Wagen. Wir müssen sofort los!»
Als sie ihm in knappen Worten Anna Neugebauers zorniges Geständnis erzählt hatte, war er begeistert.
«Du musst sie mir vorstellen. Sie ist kreativ, intelligent und war in der Lage, ein höchst kompliziertes Problem zu lösen. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen – wahrscheinlich sogar ein halbes Dutzend Fliegen.»
«Angelo! Was sie getan hat, war ein verschlüsselter Auftragsmord. Sie hat Geuther benutzt, sich an Dobler zu rächen.»
«Tut dir das leid?»
«Nein.»
«Also?»
«Es war Anstiftung zu einem Verbrechen, zu einem kaltblütigen Mord.»
«Du wirst sie doch nicht etwa verhaften wollen?»
«Nein.»
«Und warum nicht?»
«Weil ich sie bewundere.»
«Ecco!»
Sie warteten an der Einfahrt zum Hinterhof, in dem Geuthers Wohnhaus lag. Die Kollegen trafen kurz nach Laura und Guerrini ein und verteilten sich über das
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