Hungerkralle
auch abziehen
müssen. Immerhin habe ich bei denen in Frankfurt noch durchsetzen können, dass
ich hin und wieder Militärpolizei für Razzien anfordern kann und dass die paar
Falschgeldspezialisten hier in Berlin nicht auch noch versetzt werden.«
Major Miller seufzte. »I’ll try my best. Habe ich freie Hand, wen ich für meine Recherchen zu
Hilfe nehme?«
»Freie Hand und ein eigenes Budget, Paul.
An wen dachtest du?«
»Never change a winning team,
Bill.«
Gleason nickte. »Einverstanden. Wir
treffen uns nächste Woche wieder. Ach, damit du loslegen kannst: Hier ist die
letzte Liste der überprüften Konteninhaber, die unwissentlich Blüten eingezahlt
haben, nebst den Vernehmungsprotokollen. Vielleicht begegnen dir ja einige der
Namen bei deinen Ermittlungen wieder.«
Während Sergeant Burns den Major zurück
nach Tempelhof zum Flughafen fuhr, schaute sich Miller die Protokolle an. Nur
ein Name ließ ihn stutzen: Renate Hansen? Hansen, Hansen, wo hatte er den Namen
schon einmal gehört? Er blätterte nach der Anschrift der Frau, Klausener Platz
5, und erinnerte sich schlagartig daran, was Burns’ Freundin Edith ihm von
dieser Frau berichtet hatte.
»Sergeant?«
»Ja, Sir?«
»Morgen ist Sonntag, da arbeitet doch
Frau Jeschke nicht. Meinen Sie, sie hätte Lust, mit den Kindern im britischen
Yachtklub essen zu gehen? Ich würde sie alle gern einmal einladen. Sie
natürlich auch, Sergeant.«
»Oh, bestimmt, Sir. Die Mädchen können
beide schon fantastisch schwimmen. Da ist doch auch gleich vor dem Restaurant
ein Badestrand, oder?«
»Ich glaube schon.«
Die Informationen, die Major Miller von Edith Jeschke
über Frau Hansen erhalten sollte, stimmten ihn nachdenklich. Sofort nach dem
Essen im britischen Yachtklub setzte er sich mit Bill Gleason in Verbindung.
Sergeant Burns’ Freundin hatte bemerkt,
dass Renate Hansen seit geraumer Zeit Besuch von mehreren Frauen aus der
Umgebung erhielt, deren im Krieg gefallene Ehegatten ausnahmslos als durch und
durch überzeugte Hitler-Anhänger bekannt gewesen waren. Ferner tauchte im Haus
Klausener Platz 5 regelmäßig jemand auf, der sie vom Typ her stark an Herrn
Hansens ehemalige Nazikumpane erinnerte.
»Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen
beschreiben soll, Major. Wenn ich dem Kerl zufällig auf der Treppe begegne,
dann überkommt mich fast so ein ungutes Gefühl wie früher. Es sind vor allem
die Mensurnarben, die mich abstoßen. Hansen war Jurist und als Student in
Breslau in einer schlagenden Verbindung aktiv. Ich weiß das, weil er überall
damit geprahlt hatte. Vermutlich trugen deshalb auch die meisten Goldfasane,
die bei den Hansens ein- und ausgingen und lärmende Saufgelage veranstalteten,
diese widerlichen Schnitte im Gesicht. – Aber vielleicht tue ich dem Mann ja
Unrecht.«
Detaillierter zu beschreiben vermochte
Edith den mensurnarbigen Unbekannten leider nicht, denn es waren immer nur
sekundenlange En-passant-Begegnungen im Hausflur gewesen.
Bill Gleason versprach, im Berlin
Document Center Erkundigungen über die Vergangenheit der Hansens zu
veranlassen, und ließ sich nach dem Telefonat mit Miller umgehend mit
Bloomsfield in Frankfurt verbinden.
Der Major war ziemlich überrascht, schon
am Vormittag des übernächsten Tages per Kurier einen dicken versiegelten
Umschlag aus dem Föhrenweg zu erhalten. Er quittierte den Empfang und öffnete
das Kuvert. Es enthielt ein kurzes handschriftliches Anschreiben und zehn mit
einer Büroklammer zusammengeheftete Schreibmaschinenseiten.
Miller hatte mit Daten aus dem Document
Center gerechnet, aber die, schrieb Gleason, seien frühestens in ein, zwei
Wochen erhältlich. »… jedoch denke ich, dass die kompletten Listen der überprüften
Personen seit dem erstmaligen Auftauchen der Falsifikate Anfang 1946 von
einigem Interesse sein dürften. Unter den – im Übrigen nicht wenigen – Kontoinhabern,
die mehr als einmal gefälschte Banknoten eingezahlt haben, wirst du auch den
Namen von Frau Renate Hansen finden.«
Zehn Minuten später fuhr Major Miller mit
Karl zu Benno nach Hause. Hasso schlug an, als sie sich der Haustür näherten.
Der Oriental- Wirt,damit
beschäftigt, die Gemüsebeete zu gießen, brachte ihn mit einem Pfiff zum
Verstummen. »Oho! Welch hoher Besuch zu früher Stunde! – Na, wo brennt’s denn
mal wieder, die Herren?«
Otto Kassner, Horst Brennecke und
Wolfgang Richter vermieden es weiterhin, gemeinsam gesehen zu werden. Wenn es
Wichtiges zu besprechen gab, trafen sie
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