Ich bin ein Mörder
erleichtertem Seufzen ließ sie sich auf den Sitz fallen und sah gerade noch, wie vor dem Fenster das Schild mit der Aufschrift »Große Nelkenstraße« aus ihrem Blickfeld verschwand. Sie presste die Nase gegen die kalte Scheibe, schemenhaft erkannte sie die letzten Gebäude des Stadtteils Hausen und die dunkle Silhouette einer Schrebergartenanlage. Dahinter leuchtete magentafarben die Spitze des Ginnheimer Spargels. Erst nach dem nächsten Halt verschwand der Zug im Tunnel unter der Stadt. Alexandra zwang sich, ruhig zu atmen. Acht Minuten Fahrt trennten sie von ihrem Ziel. Acht Minuten und ein paar Meter Fußweg. Aus ihrem Lieblingspullover unter der Jacke duftete es verführerisch. Oh Gott, ich fahre zu einem Date!
Beim Aussteigen vernebelten ihr rosarote Rosamundewölkchen die Sicht. Die Rolltreppe war viel zu langsam. Sie drängte sich an den anderen Passagieren vorbei, sprang ungeduldig die Stufen hinauf ins Freie. Links von ihr ragte die Alte Oper in den Abendhimmel, perfekt in Szene gesetzt, mit festlicher Beleuchtung, aber das ließ sie kalt. Mit städtebaulichen Wahrzeichen konnte sie noch nie viel anfangen. Für sie zählten die Menschen. Und heute zählte nur einer.
Alexandra ignorierte die rote Ampel und konnte sich nur mit Mühe im Zaum halten, um nicht zu rennen. Schon von Weitem erkannte sie Tobias Stockmann, wie er in kleinen Kreisen über das unebene Pflaster schritt und die Hände auf dem Rücken verschränkt auf sie wartete. Mitten in ihrem Revier. Aber auch das war ihr jetzt gleichgültig. Vermutlich würde sie gleich keinen Bissen herunterkriegen, auch wenn sie das Steakhouse liebte, vor dem er seine Runden drehte. Er konnte das unmöglich wissen, nicht einmal ahnen. Sie sah es als gutes Vorzeichen an, dass er genau dieses Restaurant ausgesucht hatte. Der Mann war einfach ein Traum.
Aufatmend stellte sie beim Näherkommen fest, dass auch er sich nicht in Schale geworfen hatte. Zu einer verwaschenen, leicht ausgefransten Jeans trug er einen Sweater mit Kapuze, wie schon bei der Lesung, und sah einfach umwerfend aus. Fast wie ein Teenager. Mit diesem unglaublichen, leicht verlegenen Lächeln.
Er führte seinen letzten Kreis zu Ende und blieb dann dicht vor ihr stehen.
»Ich freue mich, dass du wirklich gekommen bist, meine Kommissarin.« Er fasste ihre Hand und hob sie sanft an die Lippen, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. Die warme, tiefe Stimme rumorte in ihrem Bauch, und sie verzieh ihm die vertrauliche Begrüßung sofort, ohne sich dessen bewusst zu sein.
»Aber ich bin nicht wirklich bei der Mordkommission!«
Schlagartig färbten sich ihre Wangen in tiefem Rot. Wie immer, wenn sie gezwungen war, außerdienstlich mit einem schönen Mann zu sprechen.
»Das weiß ich doch.« Sein Lachen umschmeichelte ihre Sinne. »Aber es macht mir Spaß, den bösen Buben zu spielen, der sich zu einem heimlichen Rendezvous mit der Vertreterin von Recht und Ordnung trifft.«
Er dirigierte sie mit einladender Geste zum Eingang.
»Heute Abend will ich nicht über mich reden. Und nicht über meine Arbeit. Ich bin sehr neugierig auf dich.«
Sein Aftershave streifte ihre Nase, als er schwungvoll die Tür für sie öffnete. Sie hielt den Atem an.
»Erzähl mir, wer du bist, Alexandra. Ich will alles über dich erfahren, was es zu erfahren gibt.«
Erstaunt hob sie den Blick von seiner Hand, die ihre immer noch festhielt, und fand endlich die Sprache wieder.
»Den ganzen Abend über mich reden? Ich fürchte fast, das wird dann ein kurzer Abend.«
Doch entgegen Alexandras Befürchtung wurde der Abend lang und alles andere als langweilig. Kurz vor Mitternacht verließen sie das Restaurant und Alexandra bestand darauf, mit der U-Bahn nach Hause zu fahren. Tobias begleitete sie bis zum Bahnsteig und wartete mit ihr auf die Einfahrt des Zuges.
»Du bist wirklich ganz anders, als ich es von einer Polizistin erwartet hatte.« In seiner Stimme lag echtes Erstaunen.
»Das klingt nicht gerade nach einem Kompliment – schließlich hast du dich mit einer Polizistin verabredet.«
»Oh, das ist es aber! Wobei ich nicht genau sagen könnte, was ich mir vorgestellt habe. Vielleicht fürchtete ich eine Enttäuschung in Gestalt einer langweiligen Bürokratin? Jedenfalls hatte ich keine Moorhuhnjägerin, keinen bekennenden E-Mail-Junkie oder schokoladensüchtigen, klassikbelesenen Kinofan erwartet! Du könntest tatsächlich all meine Pläne über den Haufen werfen.«
»Welche Pläne?«
Er strich mit den
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