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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Mrs Anderson war tot.
    Nichts Spektakuläres, es war das Alter – sie ging eines Abends zu Bett und stand am nächsten Morgen nicht mehr auf. In den Nachrichten hieß es, sie sei friedlich eingeschlafen und würdevoll gestorben, was im Prinzip wohl sogar zutrifft, aber die drei Tage, die vergingen, bis jemand merkte, dass sie schon eine Weile nicht mehr aufgetaucht war, nahmen ihren sterblichen Überresten jegliche Würde. Schließlich schaute Mrs Andersons Tochter vorbei und fand die Leiche, die mittlerweile stank wie ein überfahrenes Tier. Das Schlimmste war dabei nicht einmal die Verwesung, sondern die Tatsache, dass es volle drei Tage dauerte, bis jemand fragte: »Sag mal, wo steckt eigentlich die alte Dame, die da unten am Kanal wohnt?« Das ist nicht besonders würdevoll.
    Aber friedlich? Ganz sicher. Wie der Gerichtsmediziner erklärte, starb sie am 30. August im Schlaf, also zwei Tage, bevor der Dämon Jeb Jolley die Eingeweide herausriss und ihn in einer Pfütze hinter dem Waschsalon liegen ließ. Damals wussten wir es noch nicht, aber Mrs Anderson sollte für sechs Monate der letzte Mensch im Clayton County bleiben, der auf natürliche Weise gestorben war. Die anderen holte der Dämon.
    Na ja, die meisten jedenfalls. Alle bis auf einen.
    Am Sonnabend, dem 2. September, bekamen wir Mrs Andersons Leiche herein, nachdem der Gerichtsmediziner mit ihr fertig war – das heißt, ich sollte wohl besser sagen, dass meine Mutter und Tante Margaret die Leiche bekamen, nicht ich. Den beiden gehört das Bestattungsunternehmen. Ich bin erst fünfzehn. Den Tag über hatte ich mich in der Stadt herumgetrieben und der Polizei zugesehen, während sie das Chaos bei Jebs Leiche aufgeräumt hatte. Kurz vor Sonnenuntergang kehrte ich zurück und schlüpfte durch den Hintereingang ins Haus, denn ich befürchtete, dass meine Mutter vorn im Büro saß. Ich wollte ihr wirklich nicht begegnen.
    Hinten in der Leichenhalle war niemand außer mir und Mrs Andersons Leiche. Sie lag, in Tücher gehüllt, ganz still auf dem Tisch und roch nach verfaultem Fleisch und Insektenspray. Der große Ventilator, der sich klappernd über mir drehte, half nicht viel. Ich wusch mir im Waschbecken leise die Hände und fragte mich, wie viel Zeit mir noch blieb. Dann berührte ich vorsichtig die Tote. Alte Haut hatte ich am liebsten – sie war trocken und runzlig und fühlte sich an wie Pergament. Der Gerichtsmediziner hatte sich keine große Mühe gegeben, Mrs Anderson zu säubern, was wahrscheinlich daran lag, dass er mit Jeb so viel Arbeit hatte, aber der Geruch verriet mir, dass er wenigstens daran gedacht hatte, die Insekten zu vernichten. Nach drei Tagen spätsommerlicher Hitze hatte es wahrscheinlich eine ganze Menge von dem Viehzeug gegeben.
    Jemand öffnete die Eingangstür der Leichenhalle und trat ein, grün gekleidet wie ein Chirurg mit Mundschutz. Ich zuckte zusammen, weil ich dachte, es sei meine Mutter, doch die Frau warf mir nur einen kurzen Blick zu und ging zu einem Vorratsschrank.
    »Hallo, John«, sagte sie, während sie ein paar sterile Tücher zusammensuchte. Es war nicht meine Mutter, sondern ihre Schwester Margaret. Sie waren Zwillinge, und wenn sie Masken trugen, konnte ich sie kaum auseinanderhalten. Margarets Stimme klang ein wenig lebhafter und energischer. Vielleicht lag es daran, dass sie nie geheiratet hatte.
    »Hallo, Margaret.« Ich zog mich einen Schritt zurück.
    »Ron wird immer fauler.« Sie nahm eine Sprühflasche mit einem Desinfektionsmittel in die Hand. »Er hat sie nicht einmal gesäubert, sondern einfach nur auf natürlichen Tod befunden und sie hierherbefördert. Mrs Anderson verdient wirklich etwas Besseres.« Dann wandte sie sich an mich. »Willst du einfach nur herumstehen, oder hilfst du mir?«
    »Entschuldige.«
    »Wasch dich vorher.«
    Bereitwillig krempelte ich mir die Ärmel hoch und kehrte zum Waschbecken zurück.
    »Ehrlich«, fuhr sie fort, »ich weiß gar nicht, was sie da drüben im Büro des Gerichtsmediziners überhaupt machen. Die haben ja nicht gerade viel zu tun – wir halten uns mit dem Bestattungsinstitut gerade eben über Wasser.«
    »Jeb Jolley ist tot«, berichtete ich, während ich mir die Hände abtrocknete. »Sie haben ihn heute Morgen hinter dem Waschsalon gefunden.«
    »Den Automechaniker?«, fragte Margaret nicht mehr ganz so munter. »Das ist ja furchtbar. Er war jünger als ich. Was ist passiert?«
    »Ermordet.« Ich nahm mir einen Mundschutz und eine Schürze vom Wandhaken.

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