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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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lag neben dem Highway und vergammelte wie ein totes Tier.
    »Über wen hast du geschrieben?«, wollte Max wissen.
    »Was?« Ich hatte gar nicht zugehört.
    »Ich habe gefragt, über wen du deinen Aufsatz geschrieben hast«, wiederholte er. »Ich tippe auf John Wayne.«
    »Warum sollte ich mich für John Wayne entscheiden?«
    »Weil du nach ihm benannt bist.«
    Er hatte recht – mein voller Name lautet John Wayne Cleaver. Meine Schwester heißt Lauren Bacall Cleaver. Mein Vater war ein großer Fan dieser alten Filme.
    »Wenn man nach jemandem benannt ist, heißt das nicht, dass er auch interessant ist«, widersprach ich, während ich das Gedränge beobachtete. »Warum hast du nicht etwas über Maxwell House geschrieben?«
    »Ist das ein Mann?«, fragte Max. »Ich dachte, das sei eine Kaffeemarke.«
    »Ich habe über Dennis Rader geschrieben. Er war der BTK-Killer.«
    »Was ist das denn?«
    »Bind, torture, kill – fesseln, foltern, töten«, erklärte ich ihm. »Dennis Rader hat alle Briefe, die er an die Medien schickte, mit BTK unterschrieben.«
    »Das ist krank, Mann«, erwiderte Max. »Wie viele hat er denn umgebracht?« Anscheinend fand er es doch nicht so widerlich.
    »Etwa zehn«, sagte ich. »Die Polizei ist noch nicht sicher.«
    »Nur zehn? Das ist doch gar nichts. Du könntest schon mehr als zehn töten, wenn du bloß eine Bank ausraubst. Der Kerl, den du letztes Jahr in deinem Projekt behandelt hast, war viel besser.«
    »Es kommt nicht darauf an, wie viele Menschen jemand umbringt«, widersprach ich, »und es ist auch nicht cool. Es ist falsch.«
    »Warum redest du dann die ganze Zeit über solche Leute?«, wollte Max wissen.
    »Weil falsche Sachen interessant sind.« Ich war kaum noch bei der Sache. Vor allem dachte ich darüber nach, wie cool es wäre, eine Leiche zu bekommen, an der man eine Autopsie vorgenommen hatte.
    »Du bist verrückt, Mann«, sagte Max und biss wieder in sein Sandwich. »Mehr kann ich dazu nicht sagen. Eines Tages wirst du einen Haufen Leute umbringen. Wahrscheinlich sogar mehr als zehn, weil du so ein Streber bist, und dann komme ich ins Fernsehen und werde gefragt, ob ich das schon vorher geahnt habe, und ich antworte: ›Und ob, ja, dieser Kerl war echt bekloppt.‹«
    »Dann muss ich wohl dich zuerst umbringen«, entgegnete ich.
    »Nette Idee.« Max lachte und zückte seinen Inhalator. »Ich bin so ungefähr dein einziger Freund auf der Welt. Du kannst mich nicht umbringen.« Er verpasste sich eine Prise und steckte die Spraydose wieder in die Tasche. »Außerdem war mein Dad in der Army, und du bist ein dürrer Emo. Das möchte ich mal sehen, wie du das probierst.«
    »Jeffrey Dahmer«, warf ich ein. Wieder hatte ich nur mit halbem Ohr zugehört.
    »Was?«
    »Mein Projekt im letzten Jahr hat sich um Jeffrey Dahmer gedreht. Er war ein Kannibale, der mehrere Köpfe im Kühlschrank aufbewahrte.«
    »Jetzt erinnere ich mich.« Max’ Blick verdüsterte sich. »Ich habe von deinen Postern Albträume bekommen. Das war krass.«
    »Albträume sind gar nichts«, gab ich zurück. »Die Poster hat mir übrigens ein Therapeut geschenkt.«
    Ich war schon lange von Serienmördern fasziniert – um nicht zu sagen besessen – gewesen. Aber erst mein Aufsatz über Jeffrey Dahmer in der letzten Woche auf der Mittelschule hatte meine Mutter und meine Lehrer veranlasst, sich Sorgen zu machen und mir eine Therapie zu verordnen. Mein Therapeut war Dr. Ben Neblin, den ich den ganzen Sommer über an jedem Mittwochmorgen aufgesucht hatte. Wir hatten über vieles geredet, etwa darüber, dass mein Vater nicht mehr bei uns lebte und wie eine Leiche aussah oder wie schön ein Feuer war, aber meist hatten sich unsere Gespräche um Serienmörder gedreht. Er hatte zugegeben, dass ihm das Thema nicht behagte. Sein Unbehagen hatte mich aber nicht aufhalten können. Meine Mutter bezahlte die Therapie, und ich hatte sonst kaum jemanden zum Reden, also musste Neblin herhalten.
    Mit Beginn des Schuljahrs im Herbst hatten wir die Sitzungen auf den Donnerstagnachmittag verlegt. Sobald meine letzte Stunde vorbei war, lud ich mir den Rucksack mit den viel zu vielen schweren Büchern auf und strampelte die sechs Blocks zu seinem Büro. Auf halbem Weg bog ich jedoch am alten Theater ab und schlug einen Umweg ein. Der Waschsalon war nur zwei Blocks entfernt, und ich wollte an der Stelle vorbeifahren, wo Jeb getötet worden war.
    Das Absperrband der Polizei war endlich verschwunden, und der Waschsalon war geöffnet,

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