Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
Vom Netzwerk:
niemanden, der uns beschützte. Unser damaliger Deputy Commissioner Syed Javid ging zu den Versammlungen der Taliban, betete in ihrer Moschee und leitete sogar ihre Versammlungen. Er wurde der perfekte Talib! Die Taliban wandten sich ganz besonders gegen Nicht-Regierungsorganisationen oder NGO s, da sie diese für unislamisch hielten.
    Als die ersten NGO s Drohbriefe von den Taliban erhielten und sich hilfesuchend an den Verwaltungschef wandten, hörte er sie nicht einmal an. Auf einer Versammlung kritisierte mein Vater ihn einmal: »Wessen Anweisungen befolgen Sie eigentlich? Die von Fazlullah oder die der Regierung?«
    Bei uns gibt es ein arabisches Sprichwort: »Das Volk folgt seinem König.« Wenn die höchste Autorität im Distrikt sich den Taliban anschließt, wird die Talibanisierung zur Norm.
    Wir lieben Verschwörungstheorien, und so gab es davon in Pakistan eine ganze Menge. Manche waren der Meinung, die Machthaber würden die Taliban willentlich ermutigen. Sie sagten, dem Militär kämen die Taliban im Swat gerade recht, weil die Amerikaner uns als Stützpunkt für ihre Drohnenangriffe benutzen wollten. Waren die Taliban im Swat, dann konnte man gegenüber den Amerikanern wiederum erklären, es wäre nicht möglich, ihnen zu helfen, man hätte eigene Probleme. Außerdem ließ sich so der amerikanische Vorwurf entkräften, unser Militär helfe den Taliban, statt sie zu stoppen. Nun konnte die Regierung sagen: »Ihr behauptet, wir nehmen euer Geld und helfen damit den Terroristen. Aber wenn das so wäre, würden die Taliban dann gegen uns kämpfen?«
    »Die Taliban erhalten offensichtlich Unterstützung von Kräften, die im Verborgenen operieren«, sagte mein Vater. »Und je mehr man sich bemüht, das alles zu verstehen, desto komplexer wird es.«
    In diesem Jahr 2008 entließ die Regierung sogar Sufi Muhammad, den Gründer der TNSM , aus dem Gefängnis. Er galt als gemäßigter als sein Schwiegersohn Fazlullah, und es bestand die Hoffnung, dass er ein Friedensabkommen mit der Regierung aushandeln würde. Dieses besagte: Die Regierung im Swat würde die Scharia einführen und uns im Gegenzug von der Gewalt der Taliban befreien.
    Mein Vater befürwortete das. Wir wussten, dass die Taliban nicht verschwinden würden. Doch, so meinte mein Vater, die Taliban hätten nach Einführung der Scharia nichts mehr, wofür sie kämpfen konnten. Sie müssten ihre Waffen niederlegen und wie ganz normale Menschen leben. Täten sie das nicht, so mein Vater weiter, würden sie endlich ihr wahres Gesicht zeigen.
    Noch immer hatte die Armee ihre Geschütze in den Hügeln über Mingora stationiert. Wir lagen im Bett und lauschten nächtelang dem Bumbum der Kanonen. Manchmal verstummten sie für fünf, zehn oder auch fünfzehn Minuten, und in dem Moment, wo wir gerade am Einschlafen waren, ging es von vorne los. Manchmal versuchten wir, uns die Ohren zuzuhalten oder den Kopf unter den Kissen zu verstecken, doch die Geschütze waren nah und der Lärm viel zu stark, um ihn ausblenden zu können.
    Am nächsten Morgen hörten wir dann in den Fernsehnachrichten von den neuen Taliban-Morden. Und fragten uns, was das Militär mit seinen donnernden Geschützen eigentlich zuwege brachte. Sie schafften es noch nicht einmal, die täglichen Radioübertragungen von Radio Mullah zu stoppen.
    Beide, Militär und Taliban, waren mächtig. Manchmal befanden sich ihre Straßensperren auf derselben Hauptstraße, nicht einmal einen Kilometer voneinander entfernt. Uns hielten sie auf, doch der Gegenwart der anderen Partei schienen sie sich nicht bewusst zu sein. Es war unfassbar. Niemand verstand, weshalb man uns nicht verteidigte. Bei uns hieß es, sie wären zwei Seiten derselben Münze.
    Mein Vater sagte, wir ganz normalen Menschen seien wie die Spreu zwischen zwei Mühlsteinen. Doch er hatte immer noch keine Angst. Er forderte uns sogar auf, weiter unsere Meinung kundzutun.
    Ich bin auch nur ein Mensch, und sobald ich Schüsse hörte, fing mein Herz an zu rasen. Ich hatte im Gegensatz zu meinem Vater manchmal große Angst, aber ich sagte es nicht. Sie hielt mich auch nicht davon ab, zur Schule zu gehen. Doch Furcht ist ein wirksames Instrument, und am Ende war sie es, die die Menschen dazu brachte, sich gegen Shabana zu wenden. Der Terror hatte die Menschen grausam gemacht. Die Taliban hatten unsere paschtunischen Werte platt gewalzt und die des Islam gleich mit.
    Mit dem Buch
Eine kurze Geschichte der Zeit
des britischen Physikers Stephen Hawking

Weitere Kostenlose Bücher