SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)
Liebe Leserinnen und Leser,
wie ist es möglich, dass die Schulden des kleinen EU-Mitglieds Griechenland den ganzen Kontinent ins Wanken bringen und sogar das Weltfinanzsystem bedrohen? Ein Team von zwölf SPIEGEL-Redakteuren machte sich 2011 auf, eine Antwort zu finden. Die Reporter zeichneten nach, wie sich die visionäre Idee der Euro-Einführung in eine Nachtmahr wandelte, in einen Albtraum, der ganz Europa in den Abgrund zu reißen drohte – und immer noch droht. Für ihre Titelgeschichte „Eine Bombenidee“ erhielten die SPIEGEL-Redakteure im vergangenen Jahr den Henri-Nannen-Preis in der Rubrik Dokumentation.
Ausgezeichnet – das sind sämtliche in diesem E-Book versammelten Texte. Im doppelten Sinn: Es sind Beispiele für jenen Qualitätsjournalismus, dem sich der SPIEGEL verpflichtet fühlt; und es sind Arbeiten, die auch öffentlich gewürdigt und gelobt wurden. Sie überragen zahlreiche andere SPIEGEL-Geschichten, die sich im vergangenen Jahr ebenfalls als preiswürdig erwiesen.
Die hier zusammengestellten Texte sind in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich: in ihrer Sprache oder ihrer Recherche, in ihrer Analyse, in ihrer Perspektive oder in ihrer Sicht auf die Dinge. Dirk Kurbjuweits Blick auf „Die halbe Kanzlerin“ etwa zählt dazu, ein Essay über Angela Merkel, die oft wie ein kühler Regierungsautomat wirke, dabei aber ein durchaus munteres Gemüt habe, so Kurbjuweit. Für den Essay wurde der Autor mit dem Reporterpreis 2012 ausgezeichnet.
Einfühlsam und berührend liest sich Katja Thimms Schilderung der Pflege ihres hilfsbedürftigen Vaters, einem Angehörigen der Kriegsgeneration. Sie erhielt für ihren sehr persönlichen und mutigen Erfahrungsbericht den Evangelischen Buchpreis 2012.
In eine ganz andere Welt lenkt jenes Gespräch, dass Lothar Gorris und Sven Röbel mit Wolfgang Beltracchi führten, einem Künstler, der jahrzehntelang Gemälde fälschte, den Kunstmarkt narrte und damit Millionen verdiente. Das „Geständnis des ewigen Hippies“ war nach dem Urteil der Jury des Reporterpreises das beste Interview des vergangenen Jahres.
Ganz gewiss gehört in diese Sammlung „Best of SPIEGEL“ auch ein Text des vom „Medium Magazin“ zum „Reporter des Jahres 2012“ gekürten Korrespondenten Christoph Reuter, der als einer der wenigen Journalisten monatelang unter äußerst schwierigen Bedingungen aus Syrien berichtete. Seine Rekonstruktion der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Massaker von Hula fand auch international große Beachtung.
Reuters Schilderungen wirken weit über ihren Erscheinungstag hinaus. Das gilt für alle zwölf in diesem E-Book abgebildeten Texte. Sie bleiben eine spannende, lohnende Lektüre.
Georg Mascolo, SPIEGEL-Chefredakteur
Die SPIEGEL-Reporterin Katja Thimm wurde für ihr Sachbuch "Vatertage" mit dem Evangelischen Buchpreis 2012 ausgezeichnet.
Vaters Zeit
Wenn Eltern alt und hilflos werden, vertauschen sich die Rollen: Die erwachsenen Kinder übernehmen Verantwortung und treffen Entscheidungen für das Leben von Mutter und Vater. Die Generationen lernen einander neu kennen. Ein Erfahrungsbericht.
Als der Rundfunkpfarrer im Radio zum gekreuzigten Jesus betet, zieht mein Vater um. Es ist Karfreitag, im März 2005, die Sonne scheint, und Vögel zwitschern. Ich steuere das Auto entlang der stuckverspielten Villen mit ihren Rosen und Rondellen in den Vorgärten. Die meisten Beamten und Minister leben mittlerweile in Berlin. Eine gediegene Behäbigkeit ist Bad Godesberg geblieben.
Mehr als dreißig Jahre lang arbeitete mein Vater in diesem Bonner Stadtteil, grüßte morgens um acht den Pförtner des Ministeriums, das, war wieder einmal eine Wahl vorüber, wieder einmal anders hieß. "Er arbeitet im BMJFG", so plapperte ich in der Grundschule, stolz, mir dieses Ungetüm gemerkt zu haben. "Im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit." Irgendwann trug es auch die "Frauen" im Namen, irgendwann waren mein Vater und sein Minister nur noch zuständig für "Gesundheit".
Manchmal, wenn er meinte, auch auf das eigene Wohlergehen achten zu müssen, fuhr er mit dem Fahrrad ins Ministerium und setzte mit der Fähre über den Rhein. Er besaß eine orangefarbene Pelerine, die er bei Regen überstreifte, und es störte ihn nicht, dass sie hässlich war. Er fand sie praktisch. Meist aber nahm er das Auto. Er brauste los im Siebengebirge und stand auf der Brücke über dem Fluss im Stau, denn Hunderte andere Beamte der Bonner Republik hielten es wie
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