Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
mein Vater, hatte keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und die meisten Haushalte waren wie wir nicht an die Kanalisation angeschlossen.
Gemeinsam mit seinen Freunden gründete er die Organisation Global Peace Council, die sich trotz des Namens um sehr regionale Belange kümmerte. Die Bezeichnung war ironisch gemeint, und mein Vater lachte oft darüber, aber das Ziel der Organisation war ernst: Es war der Versuch, die Umwelt des Swat zu schützen und den Menschen vor Ort die Ideale von Frieden und Bildung nahezubringen.
Mein Vater schrieb auch gern Gedichte, manchmal über die Liebe, meist aber über kontroverse Themen wie Ehrenmorde oder Frauenrechte. Einmal besuchte er Afghanistan, um im Hotel Inter-Continental in Kabul an einem Festival teilzunehmen, auf dem sein Friedensgedicht in der Abschlussrede als das am meisten inspirierende Gedicht erwähnt wurde. Die Männer im Publikum baten ihn, ganze Strophen und Reime zu wiederholen, und wenn ihnen eine bestimmte Zeile besonders gefiel, sagten sie
»Wah! Wah!«,
was so viel wie »Bravo!« bedeutet. Selbst mein Großvater war stolz. »Sohn, mögest du der Stern sein am Himmel des Wissens«, pflegte er zu sagen.
Wir waren auch stolz auf ihn, aber seine zunehmende Bekanntheit sorgte dafür, dass wir ihn kaum mehr zu Gesicht bekamen. Es war meine Mutter, die uns Kleidung kaufte und mit uns ins Krankenhaus ging, wenn wir krank waren – obwohl es in unserer Kultur und bei Menschen aus den Dörfern, insbesondere für Frauen, nicht üblich ist, diese Dinge allein zu erledigen. Einer der Neffen musste sie immer begleiten.
Wenn mein Vater zu Hause war, saßen er und seine Freunde bei Einbruch der Dunkelheit bei uns zu Hause auf dem Dach und diskutierten über Politik. Letztlich gab es nur ein Thema. Der 11 . September mochte die ganze Welt verändert haben, aber wir befanden uns im Epizentrum des Bebens. Osama Bin Laden, der Führer von al-Qaida, lebte in Kandahar, als der Anschlag auf das World Trade Center geschah. Die Amerikaner hatten Tausende Soldaten nach Afghanistan geschickt, um ihn zu fangen und das Taliban-Regime, das ihm Schutz gewährte, zu beenden.
Pakistan war immer noch eine Diktatur, aber Amerika brauchte unsere Hilfe, so wie sie uns damals in den achtziger Jahren gebraucht hatten, um die Russen in Afghanistan zu bekämpfen. Wie die russische Invasion die Karten für General Zia neu gemischt hatte, nahm der 11 . September das Stigma des international geächteten schwarzen Schafs von General Musharraf. Plötzlich wurde er von US -Präsident George W. Bush ins Weiße Haus eingeladen und vom britischen Premierminister Tony Blair in die Downing Street.
Doch da gab es ein Problem. Unser militärischer Geheimdienst ISI hatte die militanten Taliban-Gruppierungen überhaupt erst ins Leben gerufen. Viele ISI-Offiziere pflegten enge persönliche Beziehungen zu deren Mitgliedern und teilten auch manche ihrer Überzeugungen. Colonel Imam, der ein ISI -Offizier war, brüstete sich damit, 90000 Taliban-Kämpfer ausgebildet zu haben. Im afghanischen Herat wurde er sogar zum Generalkonsul Pakistans ernannt.
Wir waren keine besonders großen Fans der extremen Taliban, denn wir hatten gehört, dass sie Mädchenschulen zerstörten und in Afghanistan riesige Buddha-Statuen in die Luft gesprengt hatten. Wir hatten viele solcher Statuen und waren stolz darauf. Trotzdem gefiel es vielen Paschtunen nicht, dass Afghanistan bombardiert wurde oder dass Pakistan den Amerikanern half, auch wenn das nur hieß, ihnen die Erlaubnis zu geben, unseren Luftraum zu nutzen, und die Taliban nicht länger mit Waffen zu beliefern. Wir wussten damals noch nicht, dass Musharraf den Amerikanern bereits Flugplätze zur Verfügung stellte.
Einige besonders religiöse Menschen sahen in Bin Laden einen Helden. Auf dem Basar konnte man Poster von ihm kaufen, die ihn auf einem weißen Pferd zeigten. Auf vielen Süßigkeitenschachteln war sein Konterfei abgedruckt. Sie sagten, die Anschläge vom 11 . September wären die Rache für das, was die Amerikaner anderen Völkern auf der ganzen Welt angetan hatten. Dabei leugneten sie die Tatsache, dass die Opfer im World Trade Center Unschuldige waren, die nichts mit der amerikanischen Politik zu tun hatten. Sie leugneten die Tatsache, dass der heilige Koran ganz klar sagt, es sei falsch, zu töten. Unser Volk sucht hinter allem die Verschwörung, und viele waren der Meinung, in Wirklichkeit steckten die Juden hinter den Anschlägen, damit Amerika
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