Ich bin unschuldig
zusammengeknüllte McDonald’s-Tüte, aus der Styroporfetzen und Salatblätter herausgefallen sind.
»Meinen Sie, das könnten Beweise sein?«, frage ich und betrachte sie.
»Eher verdammter Müll. Ganz zu schweigen davon, was das ganze Fett und das Salz mit ihren Arterien anstellt. Wahrscheinlich Kinder.«
»Kinder«, wiederhole ich und denke: Wer war noch hier draußen?
DI Perivale ist noch bei der Toten. Er berührt sie nicht, er hat sich nur hingehockt und betrachtet sie, und er telefoniert. Jetzt ruft er PC Morrow etwas zu – klingt nach einer Zahlenreihe –, und sie ruft ihrerseits jemanden an. Bleierne Müdigkeit senkt sich über mich. Als sie auflegt, frage ich, ob ich gehen kann, aber sie sagt, sie müsse noch ein paar Details notieren.
Zuerst erkläre ich ihr, dass ich dringend zur Arbeit muss, und sie nickt und erwidert: »Verstehe.« Sie zieht das Wort in die Länge und betont damit den Unterschied zwischen dem Tempo meines Lebens und den Prioritäten ihres Jobs. Sie berät sich kurz mit DI Perivale und geht dann mit mir zurück zum Café, wo wir uns eine Bank suchen. »Sie sehen irgendwie anders aus«, sagt sie. »Ich will mich nicht lustig machen oder so, aber Sie sehen jünger aus als im Fernsehen.«
Ich lache. »Das liegt an den Haaren. Viel Haar. Viel rotes Haar für das Vormittagsfernsehen. Ich habe eigentlich sehr feines Haar, aber für die Sendung wird es mit so viel Haarspray traktiert, dass es wie ein Helm ist.«
»Macht das ein Friseur?«, fragt sie, und als ich nicke, hakt sie nach: »Wie, jeden Tag?«
»Das ist absolut unwirklich«, sage ich, »ein normales Gespräch zu führen, wo …«
»Ich weiß. Der erste Tote ist immer ein Schock. Jemand hat mal zu mir gesagt, im ersten Jahr entwickelt ein Polizist ein Gefühl für zwei Gerüche. Erstens Dope und zweitens Tod.«
»Da war ein Geruch …«, sage ich.
Sie zieht die Nase kraus. »Wie im Altenheim … irgendwie sauer.«
»Was anderes.«
Während sie ihr Notizbuch herausholt, zählt sie – so wie jemand von Büchern erzählt, die er kürzlich mit Vergnügen gelesen hat – die Toten auf, mit denen sie in zwei Jahren auf Streife zu tun hatte: ein Selbstmord (durch Erhängen), ein Verkehrsunfall und zwei Herzinfarkte.
»Ein Selbstmord?«, frage ich.
»Ja, du meine Güte«, sagt sie. »Davon kriegt man in diesem Job viele zu sehen.« Sie erklärt mir, dass Frauen und Männer es auf unterschiedliche Art tun, Überdosis und aufgeschlitzte Handgelenke, Erhängen und Erschießen. Und ich weiß, ich könnte aufhören, darüber nachzudenken, aber es ist alles zu viel. Ich will jetzt nach Hause und rasch einen Schluck Kaffee trinken, wenn ich noch Zeit habe, und wenn nicht, dann im Auto. Mir wird schuldbewusst klar, dass ihre Schwatzhaftigkeit mich nervt. Vielleicht gibt sie sich keine besondere Mühe, damit ich mich entspanne; vielleicht ist sie einfach so. Also unterbreche ich sie und erzähle ihr, was passiert ist (»Oh, nicht so schnell«, bremst sie mich), dass ich laufen war und nicht weiß, warum ich diesen Weg genommen habe, aber irgendetwas mich dazu gebracht hat, und dass ich zuerst gedacht habe, der blasse, längliche Schatten sei ein toter Schwan oder ein Delfin … Sie notiert, was ich sage. Sie fragt, ob ich etwas oder jemanden gesehen habe, und ich erwähne die anderen Läufer und den Hund am Teich. Abgesehen davon niemanden, nein.
»Sonst noch etwas Ungewöhnliches?«
»Nur … das Mädchen.«
Sie liest sich einmal durch, was sie notiert hat, und ich beschließe, sie nach den Punkten im Gesicht des Mädchens zu fragen. »Kleine Punkte«, sage ich, »wie Ausschlag, nach dem man schaut, wenn man ein Baby hat, so einer, der nicht weggeht, wenn man ein Glas draufdrückt.«
»Ah, das kenne ich«, sagt sie und schreibt es in ihr Notizbuch. »Petechien, ein Zeichen für Ersticken.«
»Und sie hatte diese Streifen rund um den Hals, als hätte man einen Käsedraht darumgelegt, aber auch blaue Flecken und Abschürfungen, wie Fingerabdrücke. Glauben Sie, das war eine Schnittwunde an ihrem Hals, oder wurde sie erdrosselt?«
»Das kann erst die Rechtsmedizin sagen«, erwidert sie. »Ich bin keine Expertin, aber in so einem Fall gehören Fingerabdrücke oft nicht dem Angreifer, sondern dem Opfer. Wissen Sie, wenn es sich wehrt, um sich von dem Seil zu befreien.«
Unwillkürlich erschaudere ich, und dann tue ich es noch einmal, weil ich mich dann besser fühle. Ich habe mir meine graue Kapuzenjacke um die Taille
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