Ich darf nicht vergessen
gefunden.
Hat Ihre Mutter Ihnen gesagt, warum sie es getan hat?
Sie hat gesagt, Amanda hätte sie erpresst.
Erpresst?
Ja.
Womit?
Es hatte mit mir zu tun. Mit meiner Geburt. Dass meine Mutter nicht wusste, wer mein Vater war. Nicht mit Sicherheit. Amanda wollte es ausplaudern.
Wem denn? Ihr Vater ist doch tot. Wer sonst hätte sich dafür interessieren sollen?
Ich zum Beispiel. Was für eine Ironie. Meine Mutter hat gemordet, um mich zu schützen. Oder vielleicht, weil sie dachte, ich würde die Wahrheit nicht ertragen können. Oder vielleicht hat Amanda es auch diesmal einfach zu weit getrieben.
Also haben Sie die Spuren beseitigt, sagt die ältere Frau.
Also habe ich die Spuren beseitigt, sagt die junge Frau. Sie ist jetzt noch ruhiger. Beinahe erleichtert.
Was haben Sie mit den Fingern gemacht?
Ich habe sie eingewickelt und von der Kinzie Street Bridge in den Chicago River geworfen.
Nicht dumm. Und das Skalpell?
Sie meinen, die Klingen? Die habe ich zusammen mit den Fingern weggeworfen. Den Skalpellgriff wollte ich eigentlich auch mitnehmen, aber das hat meine Mutter nicht zugelassen. Sie hat ihn zusammen mit den unbenutzten Klingen mit nach Hause genommen. Was aus den Sachen geworden ist, wissen Sie ja.
Die Frau, die weder alt noch jung ist, hat angefangen, im Zimmer auf und ab zu gehen. Auf und ab, zwischen der Wand und dem Schreibtisch. Ja, sagt sie. Den Rest kennen wir. Jetzt schaut sie dich wieder an. Sie schauen dich beide an. Auf einmal bist du wieder sichtbar. Aber du weiÃt nicht so recht, ob dir das gefällt. Im Ãther schwebend hast du dich sicherer gefühlt.
Die Finger, sagt die ältere Frau plötzlich. Was sollte das mit den Fingern?
Die junge Frau schüttelt sich. Sie wendet sich von dir ab, als könnte sie nicht ertragen, was sie sieht. Als sie der älteren Frau antwortet, schaut sie diese auch nicht an.
Das weià ich nicht, sagt sie. Ich habe keine Ahnung. Dann kommt sie zu dir, setzt sich neben dich und nimmt deine Hand.
Konnten Sie alldem folgen, Dr. White?
In meinem Kopf sind Bilder, sagst du. Keine schönen. Die andere Sorte.
Hat es sich so abgespielt?
Eine grauenhafte Szene.
Ja. Allerdings. Können Sie uns jetzt sagen, warum Sie die Finger abgetrennt haben?
Sie hatte etwas, das ich brauchte. Sie wollte es mir nicht geben.
Plötzlich ist die Frau hellwach. Sie packt dich am Arm. Was haben Sie da gesagt?, fragt sie mit einer sanften Stimme, die ihren brutalen Griff Lügen straft. Was hatte sie?
Ein Medaillon.
Das Medaillon? Damit hat die ältere Frau nicht gerechnet. Das Christophorus-Medaillon?
Die junge Frau richtet sich auf. Schaut dich merkwürdig an.
Mom.
Du machst eine wegwerfende Handbewegung.
Amanda hatte das Medaillon. Sie wollte es mir nicht geben, sagst du.
Das verstehe ich nicht. Aus welchem Grund hätte sie Ihr Medaillon haben sollen?
Mom â¦
Vor der Tür sind Stimmen zu hören, ein Schatten huscht über das Rauchglas in der oberen Hälfte. Dann ein lautes Klopfenâ rat-tat-tat. Die Frau steht auf und erreicht die Tür in dem Moment, als sie aufgeht. Sie stellt den Fuà dagegen, um denjenigen, der sie aufgemacht hat, nicht hereinzulassen. Sie sagt ein paar Wörter, dann macht sie die Tür zu, schlieÃt sie ab und setzt sich wieder.
Sie wollten gerade etwas über das Medaillon sagen.
Du weiÃt nicht, wovon sie redet. Das Medaillon, wiederholst du.
Ja, das Medaillon. Sie klingt frustriert. Sie wollten mir gerade etwas über das Medaillon erzählen. Ãber Amanda und das Medaillon. Was hatte das mit den Fingern zu tun? Sie steht wieder auf, kommt um den Schreibtisch herum, streckt die Arme aus, als wollte sie dich an den Schultern packen. Um es aus dir herauszuschütteln. Aber was? Du kannst ihr nicht helfen. Du schüttelst den Kopf.
Die junge Frau öffnet den Mund, zögert, beginnt zu sprechen.
Amanda hatte das Medaillon in der Hand. Sie muss es meiner Mutter beim Kampf vom Hals gerissen haben. Die Totenstarre hatte schon eingesetzt.
Die ältere Frau zieht sich von dir zurück und wendet sich der jungen Frau zu. Aufmerksam mustert sie ihr Gesicht.
Also hat sie die Finger abgetrennt, um es zurückzubekommen.
Fiona, sagst du.
Ja, Mom, ich bin hier.
Fiona, meine Kleine.
Die Stimme der älteren Frau klingt kalt. Eine gewiefte, kleine Schauspielerin. Sie hält einen Moment inne, dann spricht sie die junge Frau an. Sie wissen, dass wir Sie wegen
Weitere Kostenlose Bücher